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6. September 1971: Rekordbesuch bei den Tremplern

6.9.2021, 07:00 Uhr
6. September 1971: Rekordbesuch bei den Tremplern

© Ranke

Was aber noch wichtiger ist: übereinstimmend bestätigten Besucher und Verkäufer, es habe Spaß gemacht. Der zweite Nürnberger Trempelmarkt sprengte alle Grenzen. Weder die vorgesehenen Marktflächen noch die Durchgänge und Wegführungen konnten von den aussichtslos kämpfenden Marktbeamten gehalten werden. Wer etwas anzubieten hatte, breitete einen Teppich auf den Boden, setzte sich darauf und ließ sich nicht mehr vertreiben. Gerade dieses spontane Improvisieren verleiht dem Markt seinen Reiz.

CSU-Fraktionschef Georg Holzbauer war mit 340 zerlesenen Krimis erschienen und mit einem Schild: "Fischbacher und Schwaiger zahlen die Hälfte". Der Oppositionsführer wollte somit für die Eingemeindung werben. 150 Exemplare seiner Sammlung konnte er absetzen. Ein paar Meter weiter verkaufte ein junger Mann alle Sportmagazine und pries als Besonderheit an, daß es bei ihm für fünfzig Pfennig echte Siege des Clubs nachzulesen gebe.

Aber es gab nicht nur Trödel: da waren junge Leute, die durchaus beachtenswerte kunsthandwerkliche Arbeiten verkauften, da fand eine alte Ausgabe von "Fuchs Sittengeschichte" zum Preis von 900 DM schon nach einer halben Stunde einen entzückten Abnehmer, da wurden schweinsledergebundene Bibeln aus dem 18. Jahrhundert gekauft wie warme Semmeln.

6. September 1971: Rekordbesuch bei den Tremplern

© Ranke

Was originell war, fand reißenden Absatz: Wärmflaschen, Hosenträger, Tabakpfeifen aus Porzellan und veraltete Mieder, sowie BHs in Rosa. Amerikaner wollten immer wieder Originalplakate vom Trempelmarkt kaufen. Einer der großen Schlager, weil mit augenzwinkerndem Humor offeriert, war das Pegnitz-Potenz-Wasser, das von Optimisten in stiller Hoffnung von Raritätensammlern mit unverhohlener Freude erstanden wurde.

Pech hatte ein Künstler aus Berlin. Er hatte sich so ungünstig postiert, daß ihm im Gedränge einige Bilder zertreten wurden. Seine Frau, die mit Silberarbeiten gekommen war, wartet immer noch auf die Zahler von elf Halsketten, die spurlos verschwunden sind. Eine Oma hingegen, die mit zwei Taschenvoll Messinggeschirr mutig den Weg zum Markt gefunden hatte, kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus, als sie mit blanken 180 Mark am Abend das Feld räumte: "Etz su wos, und i hob glabt, i kröich blous a poar Pfenni." Denn: "Des woar doch blous a alts Gscherr."

Unter den Junioren der Trempelzunft, die bis hinab zum zarten Alter von vier Jahren selbständig anboten, schälten sich am Abend ein paar Mini-Rothschilds heraus, die besonders saftige Sprüche oder – wenn es sich um jüngere Damen handelte – liebliches Gschau losgelassen hatten. Ein neuer Markttyp völlig ohne Kapital und Waren, trat in vermehrter Zahl auf: jene, die etwas erstehen und an der nächsten Ecke weitertrempeln. Im Fachjargon heißen sie bereits.

"Rundtrempler" - Sie haben es geschafft, daß manches gute Stück ein paarmal durch den Markt rotiert, um mit gehobenem Preisniveau seinen endgültigen Liebhaber zu finden.

Den ganzen Tag herrschte am Hauptmarkt ein Gedränge wie an einem Samstagnachmittag auf dem Christkindlesmarkt. Die Besucher kamen – es war ohnedies langer Samstag – teilweise von weit her. Münchner zogen am Mittag über den Trempelmarkt und wiesen sich mit weiß-blauen Fahnen und Strohhüten als Anhänger von 1860 aus.

Sie waren trotz aller Bierseligkeit und Fußball-Leidenschaft angetan von der neuen Nürnberger Attraktion. "So etwas haben wir in München nicht." Und die Nürnberger selbst, die solches Lob hörten, waren ein bißchen stolz darauf, daß in der Stadt Neues, ganz Originelles entsteht, das Nürnberg zu einem liebenswürdigen Anziehungspunkt für die weite Umgebung machen kann.

Keine Kommerzialisierung

Anzumerken bleibt höchstens, daß der Kommerzialisierung frühzeitig ein Riegel vorgeschoben werden soll: der junge und gute Ruf des Nürnberger Trempelmarktes besteht darin, daß Amateure ihre Waren feilbieten, Fliegende Händler, die von Jahrmarkt zu Jahrmarkt reisen, sind dort fehl am Platz. Sie haben ihre eigenen Veranstaltungen.

Der Trempelmarkt soll seinen spontan-improvisierten Charakter behalten. Dazu gehört beispielsweise auch, daß im Schmuckhof eine Dixieland-Kapelle für Stimmung sorgte und daß deren Mitglieder nicht gegen Honorar, sondern aus Spaß an der Freud spielten.

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