8. April 1971: 80 Kilo Sprengstoff in Pkw-Türen

8.4.2021, 06:57 Uhr
8. April 1971: 80 Kilo Sprengstoff in Pkw-Türen

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In letzter Zeit hat die Nürnberger Zollfahndung mehrere zehntausend Liter Alkohol und viele Millionen geschmuggelte Zigaretten sichergestellt. Meistens sind es Tips aus der Halbwelt, die die Zollfahnder auf die Spur der gerissenen internationalen Schieberorganisationen bringen. Das Schmuggelgut wurde zwar beschlagnahmt, die Fahrer der Lastzüge festgenommen, die Drahtzieher aber, die vorwiegend im Ausland sitzen, bleiben meistens unbekannt.

Der moderne Zollfahnder hat kaum etwas oder gar nichts mit dem „Kollegen Kressin“ aus der TV-Krimiserie „Tatort“ gemein. Im Gegensatz zu Kressin, dem Playboy, der ganz nebenbei aufsehenerregende Fälle löst, ist die Arbeit des wirklichen Zollfahnders hart und nüchtern. Das einzige, was beide gemeinsam haben, ist der kriminalistische Spürsinn – und viel Glück.

Nürnbergs Zollfahndung in der Deutschherrnstraße 37 zählt zu ihrem Wirkungskreis die vier Regierungsbezirke Nordbayerns. Dieses weitverzweigte Gebiet erfordert größte Anstrengungen, um ständig „am Ball“ zu bleiben. Wenn auch der letzte Beweis schuldig geblieben wird, drängt sich doch mit Blick auf die Arbeitsmethode der Gesetzesbrecher oft die Vermutung auf: der Schmuggel zwischen Ost und West ist ein Politikum. Ostblockstaaten versuchen, auf diesem Weg illegal zu Devisen zu kommen.

Das Geschäft mit billigem Alkohol und unverzollten Zigaretten blüht, nicht zuletzt begünstigt durch den modernen Transitverkehr. Lastzüge mit dem großen blauen Schild und der Aufschrift TIR (Transport International de la Route) werden am Start vom Zoll kontrolliert und verplombt. So fahren sie über die Grenzen bis zum Bestimmungsort, wo erst wieder der Zoll in Aktion tritt. Und dazwischen liegt das Geschäft der Schmuggler.

Ein Beispiel: ein in Deutschland zugelassener Lastzug einer Spedition wird in Prag mit Verpackungsmaterial geladen. Auf diese Ladung lautet auch das Zollpapier zur Grenzüberschreitung. Auf dem Weg zur Grenze wird abgeladen. Häufig sind die Verschlußeinrichtungen an der Ladefläche, die genauen Bestimmungen unterliegen, präpariert, so daß nicht einmal die Verplombung berührt wird. Anstelle des Verpackungsmaterials wird nun Alkohol (97prozentig) geladen – 10.000 Liter.

Unbehelligt passiert der Lastzug die Grenze zur Bundesrepublik. Im Raum Nordbayern wird der Alkohol wieder durch bereitgestelltes Verpackungsmaterial ersetzt, das für Belgien bestimmt ist.

In der CSSR hatten die Schmuggler den Alkohol für 1,50 DM je Liter gekauft. In Deutschland, wo der Liter Alkohol allein mit 14 DM Steuerabgaben belastet ist, können die Schwarzhändler den Alkohol leicht für 12 bis 13 DM absetzen. Reinverdienst bei dieser Fuhre: über 100.000 DM. Als die Zollfahndung durch einen Wink davon erfuhr, war das Geschäft bereits gelaufen. In den meisten Fällen aber kommt sie noch rechtzeitig, um das Schmuggelgut zu beschlagnahmen.

In Polen und der CSSR ist der Hauptumschlagplatz für amerikanische Zigaretten, die in der Schweiz hergestellt werden. Kürzlich entdeckte die Nürnberger Zollfahndung in einem polnischen Lastzug, dessen Ladung als Parkettriemen deklariert war, 6,5 Millionen Zigaretten, nur oberflächlich von einer Tarnladung abgedeckt. Bestimmungsort sollte Italien sein. Aber die Zollfahnder waren wieder einmal schneller. Auch diesmal nach einem „heißen Tip“ eines Gewährsmannes.

Aber nicht nur Zigaretten und Alkohol werden geschmuggelt. Auf der Autobahn Regensburg-Nürnberg verunglückte ein 30jähriger Belgier mit seinem Pkw, der an der Leitplanke gelandet war. Noch während die Polizei den Unfall aufnahm, entdeckte zufällig ein Beamter, wie aus einer der demolierten Türen Pulver rieselte. Später stellte sich heraus: es handelte sich um 80 Kilogramm hochbrisanten Plastik-Sprengstoff aus der CSSR, das für eine radikale politische Organisation in Belgien bestimmt war.

Vor kurzem brach eine Bande Jugendlicher in ein amerikanisches Verkaufsgeschäft bei Nürnberg ein und stahl 204.000 Zigaretten sowie 10.000 Zigarren. Als die Täter gefaßt wurden, war die Beute bereits verkauft. Jetzt bittet sie der Zoll zur Kasse: 47.000 DM entgangener Zollabgaben.

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