86-Jährige legt ein gutes Wort fürs Altenheim ein

18.10.2017, 07:59 Uhr
86-Jährige legt ein gutes Wort fürs Altenheim ein

© Foto: Eduard Weigert

Stadtanzeiger: Frau Zikeli, warum ärgert es Sie so, wenn in den Medien negativ über Senioren- oder Pflegeheime berichtet wird?

Margarete Zikeli: Ich finde, es sollten nicht immer nur diese Horrorvisionen in der Zeitung stehen. Dass die Leute alleine gelassen, nicht gut gepflegt oder zu Tode gespritzt werden. Ich wünsche mir, dass auch mal jemand ein gutes Wort für ein Heim einlegt, denn es gibt eben nicht nur diese schlimmen Geschichten. Hier im Martha-Maria-Heim werden wir sehr gut behandelt und versorgt.

Stadtanzeiger: Glauben Sie, die Geschichten sind alle erfunden?

Zikeli: Erfunden nicht, aber übertrieben. Man muss ja auch mal sehen, wie belastet die Pflegerinnen und Pfleger sind. Ich war selber Kinderkrankenschwester und habe zehn Jahre lang auf der Säuglingsstation Nachtwache gehalten. Ich weiß, wie hart und schwer diese Arbeit ist. Heutzutage wird ja viel gespart, außerdem kam in der Pflege viel Schreiberei dazu. Jeder Schritt muss dokumentiert werden. Die Schwestern können das alleine nicht auffangen. 

Stadtanzeiger: Sie leben seit zehn Jahren in der Seniorenwohnanlage Martha-Maria. Wie kam es dazu, dass Sie sich für betreutes Wohnen entschieden haben?

Zikeli: Mein Mann und ich hatten in Bietigheim in Baden-Württemberg eine Eigentumswohnung. Mein Mann hatte drei Schlaganfälle und meine Tochter, die in Nürnberg lebt, musste sehr viel fahren, um sich um uns zu kümmern. Deshalb haben wir uns entschieden, hierherzuziehen. Mein Schwiegersohn hat sich für uns nach einem Platz im betreuten Wohnen umgesehen. Im Dezember 2006 besichtigten wir das Martha-Maria-Haus. Es hat uns gleich sehr gut gefallen und wir hatten Glück, dass eine Wohnung frei war. Im Oktober 2007 sind wir eingezogen.

Stadtanzeiger: War das eine große Umstellung?

Zikeli: Natürlich, in Bietigheim hatten wir dreieinhalb Zimmer, hier zwei Zimmer mit insgesamt etwa 55 Quadratmetern. Aber wir konnten viele unserer Möbel mitnehmen. Ich hatte ein bisschen Angst vor der Großstadt, aber hier ist es so grün, dass ich mich sehr wohl fühle. Die Umstellung hat gut geklappt und wir hatten von Anfang an eine schöne Zeit. Mein Mann ist 2011 verstorben, ihm hat es hier auch sehr gut gefallen.

Stadtanzeiger: Hatten Sie sich auch andere Häuser angesehen?

Zikeli: Ich hatte eine Bekannte im Albert-Schweitzer-Heim, die ich besucht habe. Dort fand ich es auch schön. Man hatte aber gerade erst angefangen, für betreutes Wohnen zu bauen, und es hätte ein Jahr länger gedauert, bis wir hätten umziehen können. Im Martha-Maria wusste ich gleich, dass es passt. Mir hat gefallen, dass ich ins Grüne schauen kann.

Stadtanzeiger: Was bedeutet betreutes Wohnen eigentlich genau?

Zikeli: Es bedeutet, dass ich auf der einen Seite meine Freiheit habe. Die Wohnung ist gemietet, ich koche selber und bin eigenständig. Wenn ich aber Essen brauche, kann ich ins Bistro gehen oder mir Essen aufs Zimmer bestellen. Kürzlich hatte ich eine Operation und konnte nicht selber kochen, da bin ich hier im Haus essen gegangen. Aber nach zwei Wochen, hatte ich dann genug vom Krankenhausessen (lacht).

Stadtanzeiger: Ein weiterer Vorteil ist sicher, dass im medizinischen Notfall sehr schnell jemand vor Ort ist. Mussten Sie den Notfallknopf denn schon einmal drücken?

Zikeli: Ja, vor ein paar Jahren hatte ich eine Darmverschlingung und musste nachts Hilfe holen. Es war sofort jemand da. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da lag ich schon nebenan im Krankenhaus. Wir haben überall in der Wohnung Notfallknöpfe, aber weil man ja nicht immer genau dort hinfällt, wo so ein Knopf ist, haben wir auch einen um den Hals hängen. Das gibt mir Sicherheit.

Stadtanzeiger: Und wie ist es mit den sozialen Kontakten?

Zikeli: Oh, die habe ich! Wenn ich mit jemanden sprechen will, muss ich nur zu meiner Wohnungstür raus auf den Gang gehen. Gewöhnlich sitze ich dort auf dem Diwan und stricke. Dann kommt mal die Nachbarin vorbei, dann wieder jemand anderes. Wir haben hier auch ständig Programm. Einmal ist Klavierkonzert oder ein Posaunenchor spielt. Sie zeigen uns Filme, es gibt Quizabende und Jahreszeitenfeste. Wir verreisen auch gemeinsam.

Stadtanzeiger: Und das wird alles vom Haus organisiert?

Zikeli: Ja, sie geben sich wirklich sehr viel Mühe. Sie kümmern sich auch darum, dass die Leute im Rollstuhl oder die Schwerkranken kommen können, wenn sie das möchten. Manche halten nicht ein ganzes Konzert durch, dann werden sie eben zwischendurch wieder auf ihr Zimmer zurückgebracht. Die Gemeinschaft ist für alle wichtig.

Stadtanzeiger: Viele Menschen sind im Alter von Einsamkeit betroffen. Kann betreutes Wohnen ein Mittel dagegen sein?

Zikeli: Es kommt immer auf den Menschen an, was er kann und möchte. Wenn man nicht kommunizieren kann und nicht bereit ist, sich ein bisschen an die anderen anzupassen, ist man auch hier einsam.

Stadtanzeiger: Welchen Rat würden Sie Senioren geben, die gerade darüber nachdenken, in ein Heim oder eine Wohnanlage zu ziehen?

Zikeli: Man muss darauf achten, dass man sich an einem Ort wohlfühlt und die Umgebung passt. Mir persönlich war es wichtig, keinen privaten Träger zu haben, sondern einen mit christlichem Gedanken. Die Menschen vor Ort sind wichtig. Was man prüfen sollte, ist, welche Leistungen in der Miete enthalten sind und für was man extra bezahlen muss.

Stadtanzeiger: Was kostet Sie das betreute Wohnen?

Zikeli: Billig ist es sicher nicht, ich zahle für meine zwei Zimmer 1065 Euro im Monat, inklusive der Betreuung. Dazu kommen Wasser, Licht und Heizung. Wenn man sich Essen kommen lässt, kostet das extra.

Stadtanzeiger: Sie sind tatsächlich voll des Lobes. Gibt es wirklich nichts, was Sie stört oder gerne verbessern würden?

Zikeli: Mich stört, dass immer ausgerechnet dann, wenn ich mich mittags hinlegen will, der Rasen gemäht wird oder jemand den Laubbläser anwirft (lacht). Aber die Leute müssen halt ihre Arbeit machen, das ist schon in Ordnung.

Stadtanzeiger: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Zikeli: Dass ich so lange wie möglich hier in meinen vier Wänden eigenständig bleiben kann. Wenn es mal nicht mehr geht, wechsle ich auf die Pflegestation hier im Haus.

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