9. Dezember 1969: Haushalt im Kreuzfeuer des Rates

9.12.2019, 07:00 Uhr
9. Dezember 1969: Haushalt im Kreuzfeuer des Rates

© Kammler

Drei Tage lang wird im Rathaus nur vom lieben Geld geredet, vom Entwurf für den Haushalt 1970, der im ordentlichen Teil – die abzuführende Gewerbesteuerumlage von 61 Millionen Mark schon abgezogen – mit Einnahmen und Ausgaben von 520,3 Millionen Mark abschließt, während im außerordentlichen Etat 153,6 Millionen DM für Bauvorhaben und sonstige Investitionen bereitgestellt werden sollen.

Der umfangreichste Finanzfahrplan in der Nachkriegszeit steht zur Debatte, in der es um weitere 7,5 bis 8 Millionen Mark geht. Denn so viel würde es – grob überschlagen – kosten, die zusätzlich angemeldeten Wünsche alle zu erfüllen. Für die Mehrheit des Hauses hatte SPD-Fraktionsvorsitzender Willy Prölß eine Mammuterklärung mitgebracht, in der er sich flugs mit einer Neuordnung des kommunalen Haushaltswesens beschäftigte.

Statt der wenig bewährten Teilung in ordentliche und außerordentliche Haushalte sei künftig ein Verwaltungs- und ein Vermögensetat anzustreben sowie – kann man erst einmal die Auswirkungen der dankbar begrüßten Gemeindefinanzreform überblicken – ein Zwei-Jahres-Haushalt einzuführen, erklärte der SPD-Sprecher, ehe er sich wieder einmal mehr mit der bayerischen Staatsregierung anlegte.

Prölß ärgerte sich über die Untugend des Landes, die Gemeinden kurzerhand die Kosten für solche Aufgaben aufzubürden, für die es selbst zuständig ist. Beispiele bieten der mit 28 v. H. viel zu geringe Polizeikostenersatz – „Hier wird, das kann man gar nicht laut genug sagen, finanzieller Druck ausgeübt, um be-stimmte politische Ziele durchzusetzen“ – und die Beteiligung der am Aufwand für die 6. Fakultät. Einhellig war der Stadtrat gestern der Meinung, daß durch die Entwicklung auf dem Hochschulsektor längst die Grundlagen des Fusionsvertrages aus dem Jahre 1960 weggefallen sind.

Nach diesem Ausflug auf die Landesebene kehre der SPD-Fraktionsvorsitzende wieder zu den Nürnberger Finanzen zurück. Er bedauerte, daß die Stadt neue Schulden machen müsse und die Konjunkturpolitik der Bundesregierung nicht wesentlich unterstützen könne. „Soweit aber Überschüsse entstehen, sind wir mit der Zuführung an die Rücklagen einverstanden“, schilderte Prölß die Lage aus der Sicht seiner Parteifreunde, um schließlich auf die Einzelpläne des Haushalts einzugehen.

Um 28,6 Millionen Mark – rund neun Millionen Mark mehr als die Mehreinnahmen aus der Finanzreform ausmachen – kletterten die Personalausgaben, mehr Geld braucht die Polizei, höhere Ausgaben verursachen die Schulen und die kulturellen Einrichtungen, kurzum: überall wird die Hand aufgehalten, ob es sich um soziale Aufgaben handelt oder um das Südkrankenhaus, für das neben Prölß auch die Sprecher der anderen Fraktionen eintraten.

Dennoch glaubt die SPD auf manchen Gebieten noch höhere Leistungen verantworten zu können. Die freien Verbände, die Kindergärten und Jugendhorte unterhalten, sollen besser bedacht werden, der Sport soll zu seinem Recht kommen. Die ersten Bauabschnitte für den Volkspark West und die Rednitzauen waren – um nur einige Punkte anzuführen – Bonbons im SPD-Programm.

Willy Prölß verschwieg dabei nicht, daß auch wieder Gebührenerhöhungen ins Haus stehen. Bei dem ungeheuren Wachstum der Personalausgaben gerade in den Krankenanstalten müssen die Pflegesätze hinaufgeschraubt werden. Voraussichtlich ab 1971 werden die Müllabfuhr und die Müllverbrennung teurer.

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