Abschiebung in Nürnberg geplatzt: Afghane befindet sich in Leipzig

20.3.2019, 16:32 Uhr
Aufruhr in Gostenhof: Am Dienstagvormittag waren Spezialkräfte der Polizei in der Austraße im Einsatz.

© ToMa Aufruhr in Gostenhof: Am Dienstagvormittag waren Spezialkräfte der Polizei in der Austraße im Einsatz.

Während rund um die Austraße in Gostenhof am Dienstagabend Hunderte Menschen gegen die Abschiebung von Jan Ali Habibi demonstrierten, war dieser bereits auf dem Weg nach Leipzig. Habibi hatte, als ihn Vertreter der Ausländerbehörde zusammen mit einigen Polizisten abholen wollten, zunächst versucht zu fliehen, drohte, sich etwas anzutun, verletzte sich selbst. Wenig später konnten die Beamten den Mann schließlich festnehmen. Sie brachten ihn zunächst in eine Nürnberger Klinik, wo er medizinisch versorgt wurde. 

"Die gestrigen Vorkommnisse in Nürnberg sind erschütternd. Schon wieder wurde versucht, einen jungen Mann mit einem martialischen Polizeiaufgebot aus seinem Lebensumfeld zu reißen. Sein Gesundheitszustand muss den Behörden im Vorfeld bekannt gewesen sein. Die Abschiebung eines psychisch angeschlagenen Mannes mit solch einem massiven Einsatz durchzusetzen, ist absolut unverhältnismäßig und unverantwortlich", findet Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Habibi sei bereits seit längerem depressiv, es gebe auch ärztliche Atteste, die dies belegen, so Böhm weiter. "Trotzdem wurde gestern eine Überprüfung des psychischen Zustands des jungen Mannes in einer Psychiatrie unterlassen" - zumindest in Nürnberg.

Denn Habibi wurde zwar nach der medizinischen Untersuchung nach Leipzig gebracht, wo er zusammen mit anderen Flüchtlingen in ein Flugzeug nach Afghanistan steigen sollte, dort aber dann doch wieder von der Passagierliste gestrichen. Er befindet sich laut Informationen des Bayerischen Flüchtlingsrates nun in einer psychiatrischen Einrichtung. "Es stand die Frage im Raum, ob er sich auf der Reise etwas antun würde", sagt Böhm. Sie und ihre Kollegen wollen nun versuchen in den kommenden vier Wochen - normalerweise geht circa einmal pro Monat ein Abschiebeflug nach Afghanistan - weiter für ein Bleiberecht des Mannes zu kämpfen.  

Jan Ali Habibi ist mit seinen zwei mittlerweile erwachsenen Geschwistern und seiner pflegebedürftigen Mutter im Jahr 2010 nach Nürnberg gekommen. Er besucht hier seit vier Jahren eine Abendrealschule, die er diesen Sommer abschließen wollte. Habibis Vater ist in Afghanistan ermordet worden, ein älterer Bruder ist bis heute verschollen.


Anmerkung der Redaktion: Normalerweise nennen wir in unserer Berichterstattung über solche Fälle nicht den Namen des Betroffenen. Jan Ali Habibi war allerdings in der Vergangenheit mit seinem vollen Namen mehrfach an die Öffentlichkeit getreten und fungierte unter anderem als einer der Sprecher von Flüchtlingen, die 2015 das Protestcamp am Hallplatz und einen Hungerstreik initiiert hatten. Sein voller Name wurde dabei von verschiedenen Medien bereits veröffentlicht. Auf nordbayern.de beispielsweise in einem Beitrag über eine Demonstration vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.