Mobilität in der Stadt

ADFC-Vorsitzender: "Trend zum Fahrrad ist unumkehrbar"

10.5.2021, 06:00 Uhr
ADFC-Vorsitzender:

© Stefan Hippel

Sind während der Pandemie viele aufs Fahrrad umgestiegen, weil sie nicht die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen wollten?

Markus Stipp: Absolut, wirklich viele sind umgestiegen. Es geht dabei nicht nur um Pendler auf ihrem Weg zur Arbeit, sondern auch um Spaß-Radler. Denken Sie an die zurückliegenden Tage: Wie viele sind da bei strahlendem Sonnenschein durch den Pegnitzgrund gefahren. Es ist eindeutig: Radfahren nimmt immer mehr zu, der Trend ist unumkehrbar. Allerdings gab es zuletzt nicht so große Zuwächse wie erwartet. Der Grund: Viele Menschen arbeiteten corona-bedingt vom Homeoffice aus, da fallen Fahrten ins Büro weg.


Mit dem Radentscheid übten die Initiatoren Druck auf die Kommunalpolitik aus


Kann der ADFC sein politisch gestiegenes Gewicht ausreichend nutzen?

Stipp: Auf alle Fälle, der ADFC wird deutlich stärker wahrgenommen, ebenso das Thema Radverkehr. Das zeigt sich unter anderem am Mobilitätsbeschluss des Stadtrats im Januar, bei dem es um die künftige Verkehrspolitik geht. Dass Parkplätze zugunsten von Radwegen wegfallen, das war in Nürnberg bis vor kurzem völlig undenkbar. Oder dass mit der Bayreuther Straße eine bedeutende Lücke für Radfahrende geschlossen wird, gehört auch dazu. Um nur zwei konkrete Beispiele zu nennen.

ADFC-Vorsitzender:

© Stefan Hippel

Das Nürnberger Radwegenetz hat insgesamt einen riesigen Nachholbedarf.

Stipp: Das ist richtig. Hier gibt es ganz klare Erwartungen: Bis 2026 soll der gesamte Altstadtring mit einem vier Meter breiten Zwei-Richtungs-Radweg erschlossen sein. Pro Jahr sollen innerstädtisch 15 Kilometer Radweg gebaut werden, das sind bis 2030 ganze 135 Kilometer. Und bei abrupt endenden Fahrspuren sollen die Lücken geschlossen werden, erst dann erfolgt die Verbreiterung bestehender, oft zu schmaler Radwege auf 2,30 Meter.

Dafür braucht es genügend Fachleute bei der Planung. Die Zahl der Mitarbeiter gibt neben dem städtischen Budget das Tempo beim Radwegebau vor.

Stipp: Die Stadt hat zusätzliche Stellen bei der Straßenplanung zugesagt. Mal sehen, wie viele es werden. In München kümmern sich künftig 30 Experten ausschließlich um den Radwegebau. Da kann sich Nürnberg schon ein Beispiel an der Landeshauptstadt nehmen. In Erlangen sind es immerhin neun weitere Planer vorgesehen.

Nürnberg ist vielerorts dicht bebaut, eine Verbreiterung der Radwege unmöglich. Es geht also - etwa in der Südstadt - nur über die Neuverteilung des vorhandenen Straßenflächen.

Stipp: Genau, der ADFC fordert daher Flächengerechtigkeit ein. Das geht letztlich nur, wenn man den Autoverkehr zurückstutzt. Auf kommunalpolitischer Ebene tut sich gerade einiges: Die Prioritäten ändern sich und die Bereitschaft ist da, mehr für das Fahrrad zu tun. Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen. Je mehr geschieht - etwa beim Bau schneller, effizienter Radwege - desto rascher erfolgt auch der Umstieg aufs Rad.


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Viele nutzen eine schnellere Mobilität durch E-Bikes, die immerhin 25 Stundenkilometer erreichen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?


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Stipp: Zum einen verschaffen E-Bikes mehr Bewegung, man kann größere Strecken in der Natur zurücklegen, die Sonne genießen, draußen sein, etwas für die eigene Gesundheit tun. Das ist positiv. Doch die höhere Geschwindigkeit ist auch eine Herausforderung. Ich halte eine Sicherheitsschulung für nötig, um Unfälle zu vermeiden. Und natürlich: immer Helm aufsetzen und sichtbarere Kleidung, um wahrgenommen zu werden. Die Frage der Nachhaltigkeit stellt sich auch: Batterien und Elektrik müssen schließlich ersetzt oder entsorgt werden. Ich radle daher nur mit meiner Muskelkraft, freue mich aber natürlich über jeden, der über E-Bikes zum Fahrradfahren findet und dafür das Auto stehen lässt.


Der ADFC-Vorsitzende Markus Stipp ist selbstständiger Produktmanager für Software und Apps. Der 37-Jährige lebt seit 2014 in Nürnberg und sieht sich selbst als "Fahrradaktivist". Er will den 3000 Mitglieder umfassenden Nürnberger ADFC (bundesweit 200.000 Mitglieder) politisch noch aktiver machen. Ein Leben ohne Auto ist möglich, sagt der Besitzer eines Lastenrads - und praktiziert es.

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