Aggressiver Mob am Jamnitzerplatz? Urteile gegen Linksautonome abgemildert

2.2.2021, 19:53 Uhr

Es war ein warmer, sommerlicher Abend, erinnert sich einer der Zeugen, ein 27 Jahre alter Polizist, an den 28. Juni 2019. Er und ein Streifenkollege in Uniform, sowie fünf weitere Beamtinnen und Beamten in Zivil wurden an jenem Abend gegen 23 Uhr wegen Ruhestörungs-Beschwerden aus der Nachbarschaft auf den 9300 Quadratmeter großen Platz gerufen.
Vor Ort, so berichten es die Polizistinnen und Polizisten, die am Dienstag als Zeugen vor dem Landgericht vernommen wurden, saßen mehrere Grüppchen zusammen und beschallten die Anlage mit lauter Musik aus tragbaren Boxen. Sie begannen mit Personenkontrollen. Nach kurzer Zeit sei plötzlich eine große Gruppe von 50 bis 60 Personen aus der Richtung des Szenetreffs "Schwarze Katze" angerannt gekommen.


Ein aggressiver Mob, "Bullen raus" brüllend und mit Bierflaschen in der Hand sei ihnen in Übermacht gegenübergestanden und habe sie eingekreist, erinnern sich die Zeuginnen und Zeugen. Aufforderungen, Abstand zu halten, hätten die Leute ignoriert. Sie hätten ihnen teilweise aus nicht mal 30 Zentimeter Abstand ins Ohr geschrien. "Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich hatte definitiv Angst und bin davon ausgegangen, dass es gleich kracht", sagt der 27-jährige Polizist. In dieser Situation einen Schlagstock ziehen – das hätte die Situation sicherlich zur Eskalation gebracht, waren sich er und seine Kolleginnen und Kollegen sicher. Sie zogen sich zurück.


Gefängnisstrafen vor dem Amtsgericht


Zwei Männer, 52 und 33 Jahre alt, wurden damals als aggressiv auftretende Teilnehmer identifiziert und vor Gericht gestellt. In erster Instanz verurteilte ein Schöffengericht des Amtsgerichts Nürnberg sie im Oktober 2020 zu Gefängnisstrafen: Der 33-Jährige kassierte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung eineinhalb Jahre, der 52-Jährige 15 Monate Haft. Das Gericht konnte damals keine besonderen Umstände erkennen, die eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung gerechtfertigt hätten.


Gegen das Urteil haben die beiden Männer und ihre Verteidiger Rechtsmittel eingelegt. Auch die Staatsanwaltschaft ging in Berufung. Am Dienstag beschäftigte sich nun eine Berufungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth in zweiter Instanz mit dem Fall.
Der 52-Jährige erreichte nun, dass er eine Haftstrafe von zehn Monaten erhielt und diese zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ihm wurde zugute gehalten, dass er die Vorwürfe vor dem Landgericht eingeräumt hat. Mehrere Zeugen hatten den Nürnberger als Rädelsführer der Aktion identifiziert.

Die ursprünglich vom Amtsgericht verhängte Strafe empfanden der Betroffene und sein Umfeld als ungewöhnlich hoch, weil dieser nicht einschlägig vorbestraft ist. Als "völlig absurd" bezeichnete Verteidiger Michael Brenner die Strafe deshalb und auch, weil es an dem Abend keine tätlichen Übergriffe mit Verletzten gegeben hatte.

33-Jähriger peilte Freispruch an

Der 33-Jährige peilte vor Gericht einen Freispruch an. Er sei überhaupt nicht vor Ort gewesen, so der Student. Er wurde auch wegen Beleidigung verurteilt. Er beschimpfte nach Auffassung des Amtsgerichts eine junge Polizistin als "Bullenschlampe". Dieser Ausdruck komme in seinem Sprachgebrauch nicht vor, so der 33-Jährige.
Sein Verteidiger Iñigo Schmitt-Reinholtz legte dem Gericht Fotos vor, die seinen Mandanten wenige Stunden vor dem Vorfall auf einem Hoffest in der Südstadt zeigen soll. Mit den Aufnahmen wollen der 33-Jährige und sein Anwalt nachweisen, dass die Personenbeschreibung der Hauptbelastungszeugin nicht zutrifft. Dabei ging es um Details bei Haarfarbe, Tätowierungen und Schmuck.

Die 22-jährige Polizistin, die den 33-Jährigen zuvor auf Fotos und auch persönlich in der ersten Instanz identifiziert hatte, blieb jedoch auch diesmal dabei: Sie sei sich zu 99 Prozent sicher, dass es sich bei dem Angeklagten um den Mann handelte, der ihr an jenem Juniabend in bedrohlicher Manier, mit einem Kantholz in der Hand gegenüberstand und sie beschimpft hat.

Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Martina Müller befragte die 22-Jährige am Dienstag ausführlich - und glaubte ihr. Der 33-jährige Student, der einschlägig vorbestraft ist, wurde nicht freigesprochen, aber seine Haftstrafe auf 14 Monate verkürzt.