Albtraum für immer mehr Eltern: Wenn die Kita zu teuer ist

20.9.2020, 06:00 Uhr
Albtraum für immer mehr Eltern: Wenn die Kita zu teuer ist

© Foto: Jens von Wegener

Doch auch in vielen Familien, die knapp über der Armutsgrenze liegen und somit keine öffentliche Förderung erhalten, ist das Geld knapp. Und so gibt es am Monatsende keine finanziell großen Sprünge mehr, mitunter können die Beiträge für den Kindergarten oder die Essensgebühr nicht bezahlt werden. Beim Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg mit seinen sechs integrativen Kitas kennt man das Problem nur zu gut: Immer wieder bleiben Eltern das Geld schuldig.

"Es ist schwierig", seufzt Daniela Krump vom Vorstand des Vereins. Natürlich habe man eine feste Vorgehensweise: "Wir haben einen Mahn-Prozess, verschicken Erinnerungsschreiben oder führen Gespräche." Doch schwer sei es gerade bei Familien, die gerade eben genug verdienen und deswegen keine Sozialleistungen erhalten. Diesen Eltern sei es oft unangenehm, wenn das Konto dann nicht gedeckt ist und die Kita-Beiträge nicht bezahlt werden können. Mitunter werde das letzte Geld zusammengekratzt, berichtet Daniela Krump: "Da bringen uns Eltern schon mal 30 Euro in bar vorbei, um wenigstens einen Teil zu bezahlen."

Verein in Nöten

12.000 Euro an Gebühren waren es 2019, welche der Verein für Menschen mit Körperbehinderung nicht eintreiben konnte. Bislang habe man selbst die Kosten übernommen. Die betroffenen Kinder ausschließen oder ihnen das Mittagessen verweigern – dies kam für den Kita-Träger nicht infrage. Doch wegen der Corona-Krise ist der Verein in finanzieller Bedrängnis. Daniela Krump möchte nun einen Hilfsfonds einrichten, der die ausbleibenden Gebühren übernimmt.


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Harte Wochen liegen wegen der Pandemie hinter dem Verein. "Etwa 700 unserer 1000 Mitarbeiter waren zeitweise in Kurzarbeit", berichtet Daniela Krump. Die Frühförderung für Kinder musste kurzfristig geschlossen werden, auch die Schulbegleiter oder der Fahrdienst für Menschen mit Handicap mussten pausieren. Der Bezirk Mittelfranken als Hauptkostenträger habe zwar schnell reagiert und Ausfallzahlungen übernommen, dennoch sei die Situation ernst. Dazu kommen Tausende Euro für Corona-Umbaumaßnahmen wie Plexiglasvorrichtungen, die der Verein selbst bezahlen muss. "Wir wissen im Moment nicht, wie es am Ende des Jahres finanziell aussieht."

Andere Kita-Träger haben ebenfalls mit ausstehenden Gebühren zu kämpfen. Rund 12.000 Euro bleiben Eltern jährlich der gemeinnützigen Paritätischen Kindertagesbetreuung Nordbayern schuldig, berichtet Geschäftsführer Raymond Walke. "Uns ist das auch bekannt", sagt Ilja Steinbock vom Awo-Kreisverband Nürnberg. "Natürlich gibt es Eltern, die zahlungswillig sind – da versuchen wir den Weg über Ratenzahlungen", meint der stellvertretende Leiter des Bereichs Kindertageseinrichtungen. Doch im Großen und Ganzen bleibe der Träger von 13 Kitas "auf den Kosten sitzen". Ebenso sagt Tanja Haydn von der Katholischen Stadtkirche: "In den katholischen Kindergärten kennt man natürlich die Problematik, dass Gebühren nicht gezahlt werden." Auch diese Träger betonen: Die Kinder dürfen weiter die Kita besuchen und bekommen Mahlzeiten.

20.000 Euro fehlende Kita-Beiträge sind es jährlich bei der Humanistischen Vereinigung, die in Nürnberg und Umgebung 18 Kitas betreibt. Vorstand Michael Bauer sieht hier generell die Stadt Nürnberg in der Pflicht, Eltern bei den Kosten für die Kita mehr zu unterstützen. "Wir haben in Nürnberg sehr hohe Beiträge. Das ist für mich unverständlich", erklärt er.

"Andere Kommunen subventionieren die Kita-Beiträge. Die können das. Doch das ist eben eine sozialpolitische Entscheidung." Bauer verweist etwa auf die Stadt München, wo es eine einkommensabhängige Gebührenermäßigung in städtischen und in privaten Kitas, die ein eigenes Zuschuss-System der Stadt anerkennen, gibt.

Georg Reif vom Jugendamt sieht das Thema etwas anders. Die Stadt Nürnberg erbringe seit Jahren viele freiwillige Leistungen für einkommensschwache Familien. Der Vizechef nennt hier den Nürnberg-Pass mit Ermäßigungen, Essensgutscheine, Zuschüsse für individuelle Ferienfreizeiten oder Vergünstigungen bei der Ferienbetreuung. Und er sagt, dass die Verwaltung vor einigen Jahren die Einführung von einkommensabhängigen Gebühren geprüft habe. Wegen des "Verwaltungsaufwands und der Verwaltungskosten" habe man das aber nicht umgesetzt, "insbesondere, da der Nutzen für die Eltern hierzu nicht in Relation stand".

Hilfen für Familien

Natürlich verzeichnen die städtischen Kitas ebenfalls Ausfälle bei den Gebühren. Der stellvertretende Amtsleiter sagt aber: "Der Forderungsausfall resultiert jedoch aus unterschiedlichsten Sachverhalten und ist nicht ausschließlich mit einem geringen Einkommen der Eltern zu begründen. So spielt auch die Überschuldung mancher Haushalte oder der Wegzug ins Ausland eine Rolle." Wenn Eltern nicht zahlen, dann hat die Stadt verschiedene Möglichkeiten. So wird auf die Wirtschaftliche Jugendhilfe für finanzschwache Familien hingewiesen, in einer akuten Notlage kann der Allgemeine Sozialdienst einspringen.


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Der Verein für Menschen mit Körperbehinderung indes steht mit der Idee für den Kinder-Hilfefonds noch ganz am Anfang. Sponsoren und Spender werden gesucht, auch eine Patenschaft für ein bedürftiges Kind sei möglich. Um ausbleibende Kita- und Essengebühren auffangen zu können, seien auch kleinere Spenden mehr als willkommen. Daniela Krump: "Jeder Betrag zählt."

Info zum Kinder-Hilfsfonds unter Telefonnummer (09 11) 4 62 63 50. Spenden an den Verein für Menschen mit Körperbehinderung: DE52 760 501 01 0001 04 33 03.

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