Alkoholszene am Plärrer: Kann ein Trinkraum helfen?

21.11.2018, 05:54 Uhr
Rund um den Plärrer wird der Ruf nach einem Trinkraum immer lauter.

© Viola Bernlocher Rund um den Plärrer wird der Ruf nach einem Trinkraum immer lauter.

Der Wassereimer steht griffbereit neben der Tür. Derzeit kommt er nicht zum Einsatz, es ist zu kalt. Doch an lauen Tagen kippen die Mitarbeiter eines Handyladens nahe dem Marktkauf das Wasser schon mal auf die Stufen vor der Ladentür, damit sich dort niemand niederlässt. "Anders geht es einfach nicht“, sagt ein 26-jähriger Angestellter. "Es kommt sonst ja niemand mehr in den Laden rein.“ Bis zu 20 Personen versammelten sich regelmäßig vor der Eingangstür, erzählt ein Kollege. "Es ist einfach unangenehm.“


Stadt ist überrascht: Marktkauf am Plärrer schließt


Mit ihrer Kritik stehen die beiden Männer nicht alleine da, vor allem seit Einführung des Alkoholverbotes rund um den Hauptbahnhof klagen Anwohner und Geschäftsleute über eine Verlagerung der Trinkerszene zum Plärrer. Dem Betreiber eines Pizzastandes bleiben nach eigenen Angaben die Kunden weg, weil sich die Alkoholkranken direkt vor der Tür seiner Imbissbude versammeln.

"Leute sind aufdringlicher geworden"

Auch rund um die Straßenbahnhaltestelle direkt auf dem Platz trifft sich die Szene. "Seit am Hauptbahnhof so viel kontrolliert wird, ist es hier ganz schlimm geworden“, sagt eine Verkäuferin, die in einem Laden im Verteilergeschoss arbeitet. Die Klientel habe sich verändert, "die Leute sind aufdringlicher geworden“. Doch Angst habe sie nicht, sagt die resolute 50-Jährige. "Mit den meisten kann man reden.“

Heinz-Claude Aemmer wundert sich nicht über diese Entwicklung. "Die Leute lösen sich ja nun mal nicht in Luft auf“, sagt der Vorsitzende des Bürgervereins Gostenhof. Nachdem die Menschen "mit allen Mitteln“ aus der Königstorpassage vertrieben worden seien, tauchten sie halt an anderer Stelle auf. "Irgendwo müssen sie ja hin.“ Deshalb glaubt Aemmer auch nicht, dass dem Problem mit immer neuen Kontrollen beizukommen ist. Hilfreicher wären aus seiner Sicht Trinkerstuben oder ähnliche Angebote. Über neue Angebote denkt auch die Stadt nach. Derzeit versucht Suchtberater Norbert Kays zu ermitteln, wie groß die Szene in Nürnberg eigentlich ist, um den Bedarf genauer einschätzen zu können. Ein Trinkraum sei jedoch kein Allheilmittel, glaubt Kays. "Bei schönem Wetter geht da keiner rein.“

Perspektiven sollen helfen 

Dennoch wird er sich in Augsburg informieren, dort hat die Kommune am zentralen Verkehrsknotenpunkt Helmut-Haller-Platz vor fünf Monaten den "BeTreff“ eröffnet — und macht gute Erfahrungen damit. Im Unterschied zu Anlaufstellen wie der Wärmestube dürfen dort Bier und Wein in geringen Mengen konsumiert werden, Hochprozentiges und illegale Drogen sind tabu. Die Einrichtung sei sehr gefragt, sagt Diana Schubert, Leiterin des Büros für Kommunale Prävention. "Vor allem die Beratungsangebote werden wahnsinnig gut angenommen.“ Essen und Trinken, Vermittlung von Entgiftungsplätzen, Rechtsberatung und mehr: Der Treffpunkt wartet mit einer ganzen Palette an Hilfsmöglichkeiten auf. An der Gestaltung der Einrichtung konnten die Nutzer — in Augsburg zählen neben Alkoholkranken auch "klassische" Drogenabhängige zur Klientel — mitwirken.

Das Ziel sei es, den Menschen neue Perspektiven aufzuzeigen, so Schubert. "Mit so einem niedrigschwelligen Angebot klappt das hervorragend.“ Gute Erfahrungen mit ihrem Trinkraum macht auch die Stadt Dortmund. Dort lockt das Café Berta (das Kürzel steht für Beratung und Tagesaufenthalt) täglich rund 100 Gäste an, in den Wintermonaten sind es sogar bis zu 150. Seitdem gebe es kaum noch Beschwerden über die Situation rund um den Nordmarkt, so Pressereferent Maximilian Löchter — das Ziel, die Abhängigen von der Straße zu holen, wurde offenbar erreicht. 

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