Personalmangel

Altenpflege: Zeitarbeitsfirmen sahnen ab

3.12.2021, 07:55 Uhr
Soviel Zeit muss sein: Eine Pflegefachkraft geht mit einer Bewohnerin auf und ab. Wenn die Personaldecke noch kürzer wird, reicht die Zeit nur noch für die Grundversorgung.

© Sina Schuldt, NN Soviel Zeit muss sein: Eine Pflegefachkraft geht mit einer Bewohnerin auf und ab. Wenn die Personaldecke noch kürzer wird, reicht die Zeit nur noch für die Grundversorgung.

So dramatisch war der Personalmangel in den Seniorenheimen schon lange nicht mehr – vielleicht noch nie. Und beim städtischen Träger NürnbergStift (NüSt) redet Werkleiter Michael Pflügner auch nicht lange um den heißen Brei herum: Angesichts der "extrem angespannten Situation" seien "die Herausforderungen an die Sicherstellung der Versorgung drastisch gestiegen", bringt er im zuständigen Ausschuss des Nürnberger Stadtrats die Not auf den Punkt. "Und das betrifft viele Häuser, nicht nur uns."

Dabei seien die NüSt-Häuser im Augenblick von dem Ausbruchsgeschehen verschont. Die erheblichen Vorsichtsmaßnahmen scheinen zu greifen, eine Garantie sind sie nicht. Allerdings setze man alles daran, eine erneute soziale Isolation der Bewohnerinnen und Bewohner unbedingt zu verhindern. "Die soziale Betreuung wird nicht gekappt, auch Weihnachtsfeiern sind mit einem strengen Schutzkonzept vorgesehen", berichtet Pflügner weiter.

Seit Oktober vergangenen Jahres hat NüSt zwei Dutzend Pflegefachkräfte verloren und die Stellen nicht wieder besetzen können. Eine Folge: Trotz vorhandener Nachfrage können die Kapazitäten nicht ausgelastet werden, was wiederum die Einnahmen schmälert. Aktuell stehen – neben den Pflegehelfern und den Betreuungskräften – nur noch 173 statt 197 voll ausgebildete Kräfte für die vier NüSt-Häuser zur Verfügung.

Lockangebote der Konkurrenz

Für den Schwund haben keineswegs nur jene Kolleginnen gesorgt, die in den Ruhestand verabschiedet wurden. Sondern vor allem die Konkurrenz: Zum Teil locken Kliniken mit mehr Gehalt, auch weil dort über mehr Spezialfunktionen bessere Einstufungen möglich sind. Vor allem aber sind es Zeitarbeitsfirmen, die Pflegekräfte mit Prämien und deutlich besserer Entlohnung abwerben. Sie können es sich erlauben, denn die Not der Träger ist so groß, dass diese eben auf Zeitarbeitskräfte angewiesen sind – auch wenn sie dafür tief in die Tasche greifen müssen.

Das nimmt sich, auf den ersten Blick, ziemlich kurios aus. Waren Zeitarbeitskräfte bisher doch, vor allem im verarbeitenden Gewerbe, häufig die Beschäftigten zweiter Klasse. Bot sich die Chance einer Festanstellung an der Einsatzstelle, griffen viele nur allzu gern zu und empfanden das als Glücksfall.

In der Pflege aber hat sich das angesichts des flächendeckenden Mangels ins Gegenteil verkehrt. Und die Stammkräfte müssen zusehen, wie den Zeitarbeitskräften oft obendrein ungeliebte Schichtdienste erspart bleiben. Groß ist der Ärger auch, dass es, wenn wieder mal die Heimaufsicht etwas zu bemängeln findet, meist am Stammpersonal hängen bleibt. "Da erleben unsere Mitarbeiter so viel Misstrauen und Überheblichkeit, dass sich auch da dringend etwas ändern muss", merkt der Werkleiter an.

Teure Einsätze

Für die Träger, die bekanntlich eine Fachkräftequote nachweisen müssen, ist das Angewiesensein auf die Zeitarbeit ein kostspieliges Unternehmen. So hat NüSt allein in diesem Jahr für aktuell 15 Zeitarbeitskräfte schon mehr als eine Million Euro hingeblättert – wobei ein erheblicher Teil davon ja bei den Zeitarbeitsfirmen hängen bleibt. "In der Grundstruktur hat sich das längst zum bundesweiten Problem entwickelt", klagt Pflügner weiter. Dem müsse die Bundespolitik dringend einen Riegel vorschieben.

Wirksam gegenzusteuern ist freilich nicht so einfach. Die Anwerbung von ausländischen Fachkräften zum Beispiel gilt aus verschiedenen Gründen als heikel und bringt auch keine kurzfristige Entlastung. Mehr verspricht sich die NüSt-Leitung unter anderem von punktuellen Zulagen, einer besseren Nachwuchsförderung, entlastenden Angeboten wie Supervision oder einer Dienstplangestaltung mit mehr Mitsprache.

"Außerdem werden wir umschichten müssen und noch stärker auf Qualifizierung setzen", kündigt Pflügner an. So hätten Fachkräfte mehr Luft, wenn man sie von besonders zeitraubenden Tätigkeiten wie Absprachen mit Ärzten, Apotheken und Kliniken entlasten könnte.

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