Alternative Bestattung: Letzte Ruhe auf der Almwiese?

21.1.2020, 06:54 Uhr
Alternative Bestattung: Letzte Ruhe auf der Almwiese?

© Pixabay/Greg Montani

Ein tragbarer CD-Player, abgestellt auf dem Sandboden, spielt getragene Musik. Verwandte, aus Deutschland angereist, halten zwei riesige Helium-Ballons in Grün und Blau an Schnüren fest. Losgelassen, steigen diese mit der Asche des Verstorbenen über dem niederländischen Nordseestrand in den Himmel.

Ihr Angehöriger habe am heißgeliebten Urlaubsort Egmond aan Zee bestattet werden wollen, erzählen die Deutschen einem Zuschauer aus Nürnberg, während die bunten Kugeln zu Punkten werden.In etwa in 14 Kilometer Höhe, platzen die Ballons und verstreuen die Asche, erklärt der niederländische Bestatter, der die Zeremonie am Strand und den Versand der Urne ins Land organisiert hat. Ballon-, Almwiesen-, Fluss- oder Luftbestattung mit dem Helikopter, in Deutschland ist das – außer der Seebestattung – verboten. Doch die deutsche Bestattungspflicht lässt sich umgehen. Zugelassene Firmen in der Schweiz, in Österreich oder den Niederlanden, wo das Gesetz liberaler ist, haben sich darauf spezialisiert.

Alternative Bestattung

Sie fordern die Urne bei hiesigen Krematorien an und bieten dann die ganze Palette alternativer Bestattungsvarianten an. Oder die Angehörigen holen die Urne im Ausland ab, packen sie in den Kofferraum und stellen sie daheim ins Regal. Das ist im Land der Friedhofspflicht illegal, erwischen lassen sollte man sich nicht dabei.Wer eingespielte Trauer-Wege verlässt, kann sich unerwartete Probleme einhandeln. Eine Nürnbergerin, die auf diesem Weg den Wunsch ihres Ehemannes erfüllen wollte, in der fränkischen Natur verstreut zu werden, hat mittlerweile der Mut verlassen. Wohin jetzt mit der Asche? Sie ist ratlos.


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"Wer diesen Weg wählt, löscht sich wirklich aus", gibt Gerhard Kratzer, Chef der Nürnberger Friedhofsverwaltung, zu bedenken. Dass Angehörige sehr wohl einen Ort zum Trauern brauchen, zeigt ihm der üppige Blumen- und Kerzenschmuck, den die Menschen am Eingang zur nicht öffentlich zugänglichen Sammelgruft unter dem Krematorium ablegen. Auch wenn eine Umfrage unter Bestattungsfirmen vor Ort ergibt, dass ungewöhnliche Beerdigungsformen eher selten sind, erkennt Amtsleiter Kratzer (62) einen Trend. Wer in der individualisierten Gesellschaft nach eigenem Gusto gelebt habe, der wolle auch seinen Tod selbstbestimmt regeln.

Nicht jeder Mensch kann sich eine klassische Bestattung am Friedhof vorstellen.

Nicht jeder Mensch kann sich eine klassische Bestattung am Friedhof vorstellen. © picture alliance / dpa

Die klassische Sarg-Grab-Beerdigung hat deshalb Konkurrenz bekommen. Dass Friedwald-Bestattungen sehr beliebt sind, dass die preisgünstigere Feuerbestattung heute mit 70 Prozent die häufigste Variante ist und einheitlich bepflanzte "Urnensonderstellen" auf Nürnbergs Friedhöfen gut nachgefragt werden, hat aber Nebenwirkungen.

"Anfang vom Ende"

Weil jedes fünfte Grab nicht mehr belegt ist, steigt das Defizit der zehn kommunalen Friedhöfe unaufhaltsam. Wenn das so weitergehe, müssten Friedhöfe eines Tages wohl über Steuern finanziert werden, fürchtet Verwalter Gerhard Kratzer. Als die Rentenversicherung 2006 das Sterbegeld abschaffte, sei das "der Anfang vom Ende" gewesen.Man schaut aufs Geld. Das erfährt auch Nadine Weber von "Bärbel Brand Bestattungen" in Schniegling im Gespräch mit Trauernden. Oft hätten die Verstorbenen vor ihrem Tod eine Lösung bestimmt, die den Hinterbliebenen weder hohe Kosten noch Mühen macht. Auf einer Schweizer Almwiese könne man schon für 250 Euro anonym die letzte Ruhe finden. "Heute muss es billig sein", sagt Weber.Nur unter fünf Prozent machen Almwiesen-, Fels- oder Luftbestattungen im Ausland bei der "Trauerhilfe Stier" aus. Doch der Trend zu Friedwald und Gemeinschaftsgrab ist laut Olaf Stier deutlich. Dabei entfalle die Grabpflege, nur ein kleines Namensschild erinnere an die Toten. Die Kinder leben weit weg, keiner würde das Grab pflegen. Das steckt oft dahinter, wenn Kunden für sich die Urnennische wählen.

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