Am hellichten Tag: Bienenschwarm entert Fahrrad

14.6.2013, 19:46 Uhr
Das einsame Fahrrad war am Freitag ganz in der Hand der Bienen.

© Alexander Brock Das einsame Fahrrad war am Freitag ganz in der Hand der Bienen.

Der Wagen hat kein Parkticket hinter der Windschutzscheibe, obwohl das so sein müsste. Das sieht die uniformierte Dame von der kommunalen Verkehrsüberwachung aus sicherer Entfernung ganz genau. Ein Knöllchen würde sie ja liebend gerne an den Scheibenwischer klemmen — sie traut sich nur nicht. Weniger die Furcht vor dem Fahrer des Autos ist es, was sie vom behördlichen Akt an der Marienstraße abhält. Es sind die Bienen. Nicht eine, zwei oder drei Insekten, sondern Tausende schwirren vor der Kühlerhaube herum. „Das ist mir zu gefährlich“, sagt sie und geht weiter.

Niedergelassen hat sich der Bienenschwarm auf einem Fahrradsattel. Der Drahtesel steht angekettet an einem Mast vor dem neuen Gebäude der Stadtsparkasse. Geschützt hinter bodentiefen Fenstern gucken junge Banker dem Naturschauspiel da draußen zu. Einige trauen sich vor die Türe. Mit dem Smartphone in der Hand, gehen bis auf zwei Meter heran — und fotografieren. Passanten bleiben fassungslos stehen. „So etwas hab ich noch nie gesehen“, sagt eine Frau. Eine andere warnt aus sicherer Entfernung: „Gehn S’ ned so nah hin!“

Dann taucht eine Streife auf, die beiden Beamten steigen aus und versuchen, die Schaulustigen zu verscheuchen. „Bitte nicht stehen bleiben, einfach weitergehen“, sagt einer — aber ohne nennenswerten Erfolg. Die Leute lassen sich einen Blick auf das Ereignis nicht nehmen.

Dann kommt die Fahrradbesitzerin staunend dazu. Annette Kamm arbeitet im Geldinstitut, ist morgens mit ihrem Rad von Zerzabelshof hierher ins Büro gefahren. „Ich hab doch keinen Honig auf den Sattel gestrichen... Warum ausgerechnet mein Rad?“, wundert sie sich. Ein Polizist notiert sich ihren Namen. Ihm erklärt sie, dass sie über Nacht lediglich eine Plastiktüte über den Sitz gestülpt habe, um ihn vor Regen zu schützen. Kamm schnuppert in die Tüte, die sie noch bei sich hat: „Die riecht nach nichts.“ Das Rad, scherzt sie, lässt sie lieber stehen und sich vom Gatten abholen. Stunden später — die Streife ist schon längst weg — kommt ein Imker und entfernt das Bienenvolk.

Karsten Burghardt vom Zeidlerverein für Nürnberg und Umgebung schätzt, dass das Volk auf dem Sattel rund 15000 Insekten umfasst. Jetzt ist die Zeit, in der Bienenstöcke ausschwärmen, erklärt er. „Der alte Platz ist ihnen zu eng geworden, neue Königinnen haben sich entwickelt, die alten machen sich dann mit ihren Anhängern auf den Weg und suchen ein neues Domizil.“

Doch das wird für die Bienen — und andere Insekten — in der Stadt immer schwieriger. „Sie finden keine hohlen Bäume mehr.“ Denn der Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör) lasse die alten Stämme abholzen, sobald sie nicht mehr sicher stehen.

Keine Kommentare