Angriff bei der Hausdurchsuchung: Nürnberger vor Gericht

7.11.2017, 10:57 Uhr
Das Gericht wirft dem 69-Jährigen nun nicht nur Mordversuch, sondern auch Volksverhetzung vor. (Symbolbild)

© Archiv Das Gericht wirft dem 69-Jährigen nun nicht nur Mordversuch, sondern auch Volksverhetzung vor. (Symbolbild)

Seit dem Jahr 2013 habe er mit einem "Angriff von Juden-Seite" gerechnet, erklärt der Beschuldigte vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Schließlich sei er per E-Mail und am Telefon bedroht worden, deshalb habe er eine Vorhangstange zur Waffe umfunktioniert. Das Metallrohr sägte er spitz zu und stellte es griffbereit an die Wohnungstür.

Am 12. Dezember 2016 nutzte er die Lanze als Waffe: Gegen sechs Uhr morgens öffneten mehrere Polizisten und Sondereinsatzkräfte gewaltsam seine Wohnungstür in der Nürnberger Theatergasse – ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts sollte vollzogen werden. Volksverhetzung stand im Raum, denn der Beschuldigte hatte grauenhafte Texte im Internet veröffentlicht, gegen Juden gehetzt, ihnen das Menschsein abgesprochen und dazu aufgefordert, sie zu jagen.

Vor der Schwurgerichtskammer gibt er all dies zu, erklärt fast stolz, dass 400 000 Nutzer im Netz seine Thesen gelesen hätten, und dass er die Polizisten nur angriff, weil er sie für Juden hielt. Dabei blättert er in einem Leitz-Ordner und wechselt immer wieder die Brillen, manchmal trägt er zwei übereinander.

Er doziert über Wärmeleitfähigkeit und demonstriert mit Hilfe einer leeren Milchtüte, welch hohe Temperaturen in den Vernichtungslagern von Auschwitz herrschten. Seine Folgerung: Die Opfer seien keine Menschen, sondern Teufel. Wie es um seinen geistigen Zustand steht, wird am Ende der Beweisaufnahme der Gerichtspsychiater erklären, doch zu Prozessbeginn wird deutlich, dass es diesem Mann nicht darum geht, den Holocaust und den nationalsozialistischen Völkermord von sechs Millionen Juden zu leugnen.

Aus Einsamkeit wurde Verwirrung

Seine unerträglichen Thesen entstammen offenbar einer Mixtur aus Krankheit, Einsamkeit und Fachwissen aus seinem längst vergangenen Berufsleben. Als gelernter Ingenieur versuchte er bereits vor Jahrzehnten, einen sparsamen Verbrennungsmotor zu konstruieren, er erfand ein Lüftungsgerät zur Wärmerückgewinnung. Vor einigen Jahren verließ ihn seine Frau, jahrelang pflegte er seine Mutter in seiner Wohnung und seit er alleine war, erdachte er immer neue, immer wirrere Theorien. In seinen stundenlangen Internet-Recherchen verirrte er sich offenkundig auch auf rechte Hetzplattformen.

Volksverhetzung legt ihm die Staatsanwaltschaft zur Last, und weil er während der Razzia zwei Polizisten angriff, wird ihm auch Mordversuch in zwei Fällen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft strebt seine Einweisung in die forensische Psychiatrie an, sechs Prozesstage sind geplant.