Juraleitung 

Anwohner in Sorge wegen "Monstertrasse" im Nürnberger Süden

25.5.2021, 05:50 Uhr
Die Katzwanger Bürger Kurt Oberholz, Alexander Sessann, Thomas Kühnlein, Manfred Thümler und Erwin Reitenspieß (von links) sind besorgt. 

© NNZ Die Katzwanger Bürger Kurt Oberholz, Alexander Sessann, Thomas Kühnlein, Manfred Thümler und Erwin Reitenspieß (von links) sind besorgt. 

Erst seit wenigen Monaten lebt die vierköpfige Familie Hader in einem neu gebauten Einfamilienhaus in Katzwang. Doch die Idylle könnte bald vorbei sein – denn die für Katzwang geplante Erdverkabelung verläuft quer durch ihr Grundstück. "Wir wissen nicht, ob wir bald auf einer Baustelle leben werden", sagt der 34-jährige Tim Hader. Und die Vorstellung, dass ihre kleinen Kinder Ben (drei) und Emma (zwei) einmal direkt über den im Erdreich verlegten Leitungen spielen werden, ist für Romina und Tim Hader auch nicht gerade attraktiv.

Ein harter Schlag

Wie mehrfach berichtet, will der Netzbetreiber Tennet die neue Juraleitung P53 entlang der Bestandstrasse bauen – und damit mitten durch Katzwang, wo die Wechselstromleitungen unterirdisch zwischen Hallenbad und Kanal verlaufen sollen. Für Familie Hader ein harter Schlag. 2019, als man Tennet über den geplanten Hausbau informiert habe, sei davon keine Rede gewesen. Aktuelle Nachfragen habe das Unternehmen erst gar nicht und dann sehr schwammig beantwortet, berichtet Tim Hader. "Wir werden Widerspruch einlegen", kündigt der Familienvater an. Er verstehe nicht, dass das Schutzgut Mensch hier offenkundig nicht zähle.


Kommentar: Zorn der Katzwanger Bürger ist berechtigt


Kritische Magnetflussdichte

Der Katzwanger Bürgervereinschef Alexander Sessann sagt, dass den Katzwangern mitunter vorgeworfen werde, sie hätten sich nicht gegen den Plan der Erdverkabelung gewehrt. Aber das sei schlicht kein Thema gewesen. "Wir haben uns ja auch nicht gegen den Bau eines Atomkraftwerks gewehrt, weil das auch kein Thema war."

Tennet habe die Bürger überrumpelt. Sessann und Kurt Oberholz, Sprecher der Bürgerinitiative P53-Katzwang mit 150 Mitgliedern, können auch nicht nachvollziehen, dass für den Bau der neuen Juraleitung nicht die sogenannte Südvariante über Kammerstein und Büchenbach zum Zug gekommen sei. "Da hätte es optische Beeinträchtigungen gegeben", sagt Oberholz.

Nordvariante belastender

Aber für die Bürger sei die Nordvariante wesentlich belastender, wenn die Leitungen so dicht an den Menschen entlang gebaut werden. Die Bürgerinitiative fordert einen Abstand zur Wohnbebauung von 400 Metern bei Freileitungen und von 100 Metern bei Erdkabeln. Mit der Aufrüstung der Juraleitung von 220 auf 380 Kilovolt erhöhe sich die medizinisch kritische Magnetflussdichte, gibt Oberholz zu bedenken.

Familie Hader hat erst vor wenigen Monaten ihr neu gebautes Haus bezogen. Nun befürchten Tim und Romina Hader, bald eine Baustelle vor der Tür zu haben. Das wäre für die Kinder Emma und Ben auch nicht erfreulich. 

Familie Hader hat erst vor wenigen Monaten ihr neu gebautes Haus bezogen. Nun befürchten Tim und Romina Hader, bald eine Baustelle vor der Tür zu haben. Das wäre für die Kinder Emma und Ben auch nicht erfreulich.  © NNZ

Es sei nicht mit ausreichender Sicherheit bewiesen, dass dies negative Folgen für die Menschen haben könnte, sagt der BI-Sprecher – aber im Sinne eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes müsse auf diesen Aspekt geachtet werden. Der 76-Jährige, der 28 Meter von der Bestandstrasse entfernt wohnt, verweist auf die auffallende Häufung von Krebserkrankungen in seiner Nachbarschaft.

"Bodenlose Frechheit"

Von Tennet fühlen sich die Bürger nicht ernstgenommen. "Wir sind hier Versuchskaninchen", sagt Bürgervereinschef Sessann mit Hinblick darauf, dass die Erdverkabelung als nicht erprobtes Pilotprojekt geplant ist. Landwirt Thomas Kühnlein berichtet, dass sein Sohn kürzlich zwei Männer gesehen habe, die ungefragt auf den Feldern der Familie im Auftrag von Tennet Untersuchungen angestellt hätten. "Das ist eine bodenlose Frechheit", sagt Kühnlein. Auch seine Felder sind von den Baumaßnahmen betroffen.


Man habe ihm Entschädigung angeboten, sagt der 54-Jährige. "Aber ich will kein Geld, ich will meine Felder behalten. Meine Existenz steht auf dem Spiel." Und er befürchtet, dass durch die Baumaßnahmen die Bodenbeschaffenheit und das Grundwasser beeinträchtigt werden. "Spargel ist ein sensibles Gemüse." Seine Familie ließe sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. "Ich will nicht der sein, der das jetzt alles kampflos aufgibt."

Offener Brief von SPD-Politikern

Unterdessen haben die Erlanger SPD-Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich, der Schwabacher Oberbürgermeister Peter Reiß und der Nürnberger SPD-Stadtratsfraktionschef Thorsten Brehm gemeinsam mit anderen SPD-Mandatsträgern Tennet aufgefordert darzulegen, weshalb die Juraleitung durch Wohngebiete laufen soll. Brehm hatte die Juraleitung kürzlich als "Monstertrasse" bezeichnet. Der Stadtrat votierte per Resolution gegen die geplante Trassenführung.

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