Auch Putzigkeit hat ihre Grenzen

27.2.2015, 19:32 Uhr
Auch Putzigkeit hat ihre Grenzen

© Foto: Thomas Scherer

Man könnte die A.theke in der Nürnberger Straße 38 in Fürth schon deshalb aufsuchen, um sich inmitten der gedrechselten Regale und Schrankwände ein Bild zu machen, wie Apotheken vor 100 Jahren ausgesehen haben mögen. Als Emaille-Schildchen an den kleinen Schubladen noch verkündeten, wo sich „Mullbinden 8 cm“, Fingerlinge oder Penicillina befinden. Auch das Germanische Nationalmuseum interessierte sich schon für diese komplett erhaltene historische Einrichtung.

Der Künstler Anders Möhl, begabter Zeichner, Schauspieler und Tontechniker, hat hier im Hinterraum sein Atelier eingerichtet. Und im ehrwürdigen Verkaufsraum der A.theke (zwei Buchstaben muss er weglassen, damit niemand hier verzweifelt wirklich Medizin sucht) finden ab und an Ausstellungen statt – wie jetzt die über „Bambi“.

Herzergreifende Geschichte

Der Wiener Autor Felix Salten schrieb vor 100 Jahren nicht nur die herzergreifende Geschichte des putzigen Rehkitz Bambi, sondern höchstwahrscheinlich auch die erotischen Abenteuer der jungen Prostituierten Josefine Mutzenbacher, weshalb es neulich hier auch eine Mutzenbacher-Lesung mit Philipp Moll gab. Unter dem Motto „Bambi — gegen die Verniedlichung der Welt“ lud Möhl daher ein Dutzend Künstlerkollegen ein, die zwei Seiten des Felix Salten zeichnerisch zu ergründen.

Am knappsten auf den Punkt bringt das Fredder Wanoth, dessen Rehlein als Tattoo auf dem unter Lederlack freiliegenden Po der Josefine M. eingraviert ist: ein echtes Bambi-Arschgeweih. Möhl selbst ergründet die dunkle Seite unserer Existenz in Bambi selbst. Das Disney-possierliche Tierlein trägt seine sexuellen Obsessionen stolz vor sich her, bevor ausgerechnet das nicht minder niedliche Kaninchen Klopfer zur Waffe greift und seinen Freund Bambi erlegt. Mehr von den amüsanten Ideen und dem prägnanten Strich des Künstlers zeigen weitere Zeichnungen im Atelier. Kabarettist Matthias Egersdörfer, auch er ein studierter Zeichner, zeigt seine Rehlein ebenfalls in nackter Offenheit – als Damen, die ihre besten Jahre hinter sich haben.

Martin Fürbringer wiederum nähert sich Bambi in der Auseinandersetzung mit religiösem Kitsch, assoziiert mit dem zur Ikone gewordenen Rehantlitz aber auch die Physiognomie von Sigmar Gabriel. Der Münchner Cartoonist Rudi Hurzlmeier macht Bambi zum Monster, gegen das „Irre“ eine Bombe zünden. Peter Hammer widmet sich in einer Installation voll aufgestellter kahler Rehgeweihe dem Waldsterben, das auch Hänsel und Gretel trifft.

Uschi Neuwert steuert zur Ausstellung Porträts von wahlweise selbstgefällig oder fies dreinblickenden Hasen bei. Andrea Sohler fängt mit der Kamera Stimmungen im tiefen dunklen Wald ein, die von Feen, Tod und Gestrüpp handeln.

Die völlig unterschiedlichen Assoziationen namhafter heimischer und überregionaler Künstler zu einem vermeintlich so vertrauten Kulturgut wie Bambi macht diese kleine, feine und nicht ganz jugendfreie Ausstellung sehenswert.

Bis 16. März, A.theke, Nürnberger Straße 38, Fürth. Nach Vereinbarung unter Tel. 0173-3 68 49 92 sowie montags 18-21 Uhr.

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