Auf die Höhe des Gipfels, in die Tiefen der Zeit

26.6.2012, 00:00 Uhr
Auf die Höhe des Gipfels, in die Tiefen der Zeit

Die älteste bekannte Darstellung Nürnbergs ist die auf dem Krellschen Altar in der Lorenzkirche. Sie stammt nach neuerer Forschung aus dem Jahr 1472. Der Blick ist von Westen auf die stolze Reichsstadt mit ihren Mauern und Türmen gerichtet. Rechts im Hintergrund erblicken wir den Schmausenbuck, der ursprünglich als der Nürnberger Hausberg galt. Links dahinter erhebt sich der Moritzberg. Auf ihn hat sich im Lauf der Zeit die Bezeichnung „Hausberg der Nürnberger“ übertragen.

Wir wollen uns heute auf den Weg machen zu einer geologischen Wanderung durch das Hüttenbachtal auf den Gipfel des 603 Meter hohen Berges. Dabei durchschreiten wir die Schichten vom Räthsandstein bis zu den Schwammkalken des Jura. Auf der Straße von Lauf nach Diepersdorf biegen wir bei Erreichen des Ortsverbindungsweges Himmelgarten-Schönberg etwa hundert Meter in östliche Richtung ab. Kurz nachdem wir die Brücke des Hüttenbachs überquert haben, beginnt beim Parkplatz der Wanderweg.

Sumpf durch Ton

Er führt uns in südöstliche Richtung bis zum Gipfel des Moritzbergs. Etwa anderthalb Kilometer begleitet uns rechter Hand der Hüttenbach. Zunächst zeigt dieser eine breite Tal-Aue, führen doch die das Wasser stauenden zähen roten Tone des Feuerletten im Untergrund zu einer stärkeren Versumpfung des mit Erlen bewachsenen Talbodens. Bald aber treten die Talhänge enger zusammen und werden steiler. Schließlich nimmt das Tal schluchtartigen Charakter an, bis hin zum „klingenden Wasserfall“.

Auf die Höhe des Gipfels, in die Tiefen der Zeit

© Hermann Rusam

Nach ungefähr 500 Metern gelangen wir zum „Spratzelbrünnlein“, auch „Sprosselbrunnen“ genannt. Aus einer Wand mit gelblichem Eisensandstein – die Farbe gibt uns den Hinweis auf den Eisengehalt – spritzt ein Wasserstrahl hervor. Eigentlich müsste das Wasser ja durch den Sandstein bis nach unten durchsickern, doch graue Tonschichten durchziehen den Sandstein und stauen das Wasser, das dann unter Druck als Strahl hervorquillt, und zwar das ganze Jahr über.

Wir wandern nun weiter und beobachten die anhaltende Bewegung des Schutts an den Talhängen, auf die Schutthalden, freigelegte Wurzeln oder das „Stammknie“ an den Bäumen hinweisen.

Bald kommen wir zu einer tiefen Unterschneidungskehle im Räthsandstein an der gegenüberliegenden Talwand. Sie ist in erster Linie auf die Seitenerosion des Hüttenbachs zurückzuführen, der für die Schaffung dieser Kehle – wie alte Fotografien belegen – etwa ein halbes Jahrhundert benötigte. Immer wieder stürzt durch Spaltenfrost und Wurzelsprengung gelockertes Gestein nach, bis eines Tages der gesamte Überhang mit einem Schlag abbrechen wird.

An der Talwand befinden sich besonders schöne Beispiele von verkohlten Koniferenstämmen. Deutlich hebt sich die tiefschwarze Glanzkohle von dem gelblichen Räthsandstein ab.

Auf die Höhe des Gipfels, in die Tiefen der Zeit

Von dieser großen Unterschneidungskehle ist es nun nicht mehr weit bis zu einer der landschaftlich reizvollsten Stellen der Naturlandschaft um Nürnberg, dem „klingenden Wasserfall“. Sein Name mag noch auf Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens zurückgehen, einer Dichtervereinigung, die im nahen Rockenbrunn einen ihrer Treffpunkte hatte. Bei der Frage, wie wörtlich der Name zu deuten sei, gehen die Meinungen auseinander. Die einen vertreten die Ansicht, die Bezeichnung leite sich vom Rauschen während der Tage der Schneeschmelze ab, wenn beachtliche Wassermassen die viereinhalb Meter in die Tiefe stürzen. Andere behaupten, im Winter würde bei günstigen Witterungsverhältnissen das zwischen den glitzernden Eiszapfen herabfließende Wasser eben diese Eiszapfen wie ein Xylophon zum Klingen bringen.

Der Wasserfall wird wandern

Schön ausgebildet ist die für fast alle Wasserfälle charakteristische Hufeisenform. Über drei Stufen stürzt das Wasser in die Tiefe. Unterhalb der zweiten Stufe liegt die geologische Grenze zwischen Keuper und Jura. Freilich sind die Übergänge in der Natur so fließend, dass heute die Fachwissenschaftler von den Räth-Lias-Übergangsschichten sprechen. Im Laufe der Zeit wird sich der gesamte Wasserfall bachaufwärts verlegen, ein Vorgang, der als rückschreitende Erosion bezeichnet wird. Das jährlich Zurückschreiten mag nur vier bis fünf Millimeter betragen, was aber in hundert Jahren schon einen halben Meter ausmacht. In der Erdgeschichte freilich stehen noch ganz andere Zeitspannen zur Verfügung.

Auf die Höhe des Gipfels, in die Tiefen der Zeit

Wenn wir den Wald verlassen, geht es zunächst über Wiesen und an Äckern vorbei, die auf Lias respektive Schwarzjura liegen. Der Übergang vom Lias zum Opalinus-Ton lässt sich im Landschaftsbild nicht erkennen. Regelrecht gefürchtet ist der Opalinus-Ton, weil er zahlreiche Hangrutsche verursacht. Seine tonigen Schichten bilden einen Quellhorizont, auf dem rings um den Moritzberg mehrere Quellen entspringen. Eine davon ist die des Hüttenbachs.

Wenn wir nun in Richtung Transformatorenhäuschen, wo der eigentliche Aufstieg zum Gipfel beginnt, weitergehen, sehen wir die beiden Ortschaften Haimendorf und Diepersdorf vor uns. Beide liegen auf großen Flugsandgebieten, bot doch der Sand einen

trockenen Baugrund. Die Flugsande stammen noch aus der Eiszeit, als bei spärlicher Vegetation die Westwinde Sand aus Flussablagerungen mitbrachten. Bei dem ansteigenden Gelände auf der Westseite des Moritzbergs wurden die Sande dann abgelagert.

Wenn wir den Wald betreten, beginnt erst nach etwa 200 Metern die rund 50 Meter mächtige Stufe des Eisensandsteins. Seinen Namen hat dieses gelbliche bis rotbraune Flachmeersediment von seinem Eisengehalt. Bisweilen sind auch dunkle Eisenflöze zu erkennen. Charakteristisch für den Eisensandstein sind zahlreiche, oft nebeneinander verlaufende Hohlwege.

Sie entstanden, als man einst mit zweirädrigen Karren die Weißjurakalke des Gipfels zu den Kalköfen am Fuße des Berges herabschaffte. Aus der Sicht der Nürnberger lag ja hier das stadtnächste Kalkvorkommen. Der aufmerksame Betrachter entdeckt an den Hängen der Hohlwege unter den Tropfleisten der Bäume immer wieder kleine Erdpyramiden mit ebenso kleinen Decksteinen. Während im Eisensandstein vorwiegend Nadelwald anzutreffen ist, herrschen auf der Weißjurakappe, der wir uns allmählich nähern, Buchenwälder vor. Nach dem Steilanstieg im Eisensandstein gelangt man zur deutlich erkennbaren Verebnung im Ornaten-Ton, der einen Quellhorizont darstellt. Die Weißjurakappe wiederum bildet nun einen Steilanstieg, der allerdings durch die zahlreichen ehemaligen Steinbrüche stark verändert worden ist.

Der Moritzberg liegt als sogenannter Zeugenberg vor der Schichtstufe des Jura. Dass er der Abtragung noch nicht zum Opfer gefallen ist, dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass seine Kappe aus relativ widerstandsfähigen Schwammkalken besteht. Zeugenberge trugen oft eine vorgeschichtliche Befestigung, wie die Beispiele Ehrenbürg, Hesselberg oder Staffelstein belegen.

Infolge des früheren Steinbruchbetriebs wurde aber gerade die Weißjurakante des Moritzbergs, wo die Wälle gelegen sein müssten, so nachhaltig zerstört, dass bis heute, trotz etlicher vorgeschichtlicher Funde, der eindeutige Beweis für eine frühere Befestigung nicht erbracht werden konnte.

Natur statt Skulptur

Auf dem Gipfelplateau steht die spätgotische Moritzkapelle mit dem sogenannten Brüderhaus, in dem heute eine Gastwirtschaft untergebracht ist. Wer den Aussichtsturm besteigt, hat einen weiten herrlichen Blick auf den Jura und das Albvorland. Ansonst ist das Gipfelplateau weitgehend naturbelassen. Der Naturfreund kann nur mit Grauen daran denken, dass im 19. Jahrhundert König Ludwig I. auf dem weithin sichtbaren Berg ein „bayerisches Nationalheiligtum“ erbauen lassen wollte.

Inmitten eines wuchtigen Kastells sollte als Krönung eine 100 Fuß, also mehr als 30 Meter hohe Statue der Germania errichtet werden, „gestützt auf das teutsche Schwert und mit der Linken ein Bündel Pfeile emporhaltend, deren Spitzen bei Nacht zu Fest- und Kriegsflammen lodernd dargestellt werden können“. Das Vorhaben scheiterte.
 

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