Aufgestockt: Nürnberg bringt 166 Kräfte gegen Corona in Stellung

13.10.2020, 05:25 Uhr
Die Tests müssen organisiert und ausgewertet werden. Das städtische Gesundheitsamt hat dafür ein eignes Abstrichmanagement eingerichtet.    

© Karl-Josef Hildenbrand, dpa-Bildfunk Die Tests müssen organisiert und ausgewertet werden. Das städtische Gesundheitsamt hat dafür ein eignes Abstrichmanagement eingerichtet.   

Schon ein einziger Corona-Patient an einer Nürnberger Schule lässt das Gesundheitsamt kräftig rotieren. Mit wem hatte der Schüler oder die Schülerin Kontakt in den vergangenen Tagen, mit wem die Lehrkräfte - auch außerhalb des Unterrichts? Wer muss neben der ganzen Klasse noch in Quarantäne? Wer braucht Unterstützung und medizinischen Rat?


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Adressen aufspüren, Telefonate führen, Rückfragen beantworten - im städtischen Gesundheitsamt glühen derzeit die Drähte. "Viele Leute können sich gar nicht vorstellen, wie komplex so eine Geschichte ist", sagt deren Leiterin Dr. Katja Günther-Binnberg. Seit dem Ausbruch des Virus im Frühjahr krieche ihre Abteilung "ziemlich auf dem Zahnfleisch". Dabei ist die Lage in der Stadt trotz des Anstiegs der Fallzahlen immer noch überschaubar.

Die Arbeit lauert im Hintergrund: Allein verschiedene 600 ministerielle Vorgaben, nicht nur für Schulen, sind inzwischen von der Landesregierung aus München eingetrudelt. Man habe dafür Datenbanken angelegt und ein "Wissensmanagement" entwickelt, sagt Dr. Günther-Binnberg. Die Bürgerhotline muss am Laufen gehalten, Hygienepläne aufgestellt werden, Abstriche müssen genommen und rechtliche Fragen geklärt werden. Ein Expertenteam hat die Erntehelfer im Blick.

Wer führt die Heimaufsicht?

Corona bindet alle Kräfte. "Unsere eigentliche Arbeit liegt etwas brach", seufzt die Chefin. Was durchaus gefährlich werden kann. Denn das Gesundheitsamt führt die Aufsicht über die städtischen Heime, in der Dienststelle laufen auch die Fäden für psychiatrische Hilfen zusammen, hier wird zudem die Gesundheitsförderung für die Stadtteile gemanagt. Zumindest letzteres pausiert mangels Personal.


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"Kein Dauerzustand" kommentiert Kämmerer Harald Riedel die Lage. Es könne nicht angehen, dass das Amt wesentliche Aufgaben wie die Heimaufsicht wegen Corona nicht mehr ausüben kann. Es gelte nun, den Gesundheitsbereich "stabil aufzustellen", mit Personal, das dauerhaft bleiben könne. Denn die Methode, Mitarbeiter aus anderen Dienststellen vorübergehend abzuziehen, sie anzulernen und dann wieder ziehen lassen müssen, hat sich nicht als effektiv erwiesen.

Chance für Dozenten

Also versucht man sich jetzt an zusätzlichen Kräften. "An der Stelle sparen wir nicht", heißt Riedels Credo. Ihm kommt das Förderprogramm der Bundesregierung zu Hilfe, die mit einer Finanzspritze von 3,1 Milliarden Euro neue Stellen in den Gesundheitsämtern der Kommunen fördern will. Vor allem für die aufwendig Nachverfolgung von Kontakten werden allerorten dringend Leute gebraucht. In Nürnberg war man bereits erfolgreich.

Die Idee des Kämmerers, auf Dozenten des Bildungscampus zurückzugreifen, die durch den Lockdown keine Kurse halten konnten und teilweise auch jetzt nur eingeschränkt unterrichten können, fiel auf fruchtbaren Boden. Zehn Honorarkräfte mit unterschiedlicher Stundenzahl wurden bereits akquiriert, ihre Verträge laufen bis Ende Dezember.

Aushilfe an zwei Tagen die Woche

Weil das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, hat das Personalamt inzwischen alle denkbaren Quellen angezapft, um sich Manpower zu sichern. Leiterin Christine Meyer ließ etwa bei Bewerbern für das Einwohner-Amt, die bei diversen Ausschreibungen nicht zum Zuge kamen, anfragen und hatte Erfolg. Auch Initiativ-Bewerbungen, die unaufgefordert eingehen, wurden genutzt. Unter angehenden Verwaltungsangestellten hat man Freiwillige gefunden, die zwei Tage pro Woche im Gesundheitsamt aushelfen und so weitere sieben Vollzeitstellen füllen können.

Doch nicht nur sogenannte Unterstützungskräfte werden gebraucht, sondern auch Experten mit Spezialwissen, etwa Hygienefachkräfte oder Krankenschwestern, die den Medizinern im Amt zuarbeiten. Am Flughafen wurde man beispielsweise fündig, fünf Vollzeitmitarbeiter mit medizinischem Hintergrund wechseln nun ins Amt.

Fünf Medizinstudenten wurden gefunden

Größtes Problem derzeit: Ärzte sind seit der Pandemie am freien Markt kaum zu finden. Über die Hochschulen in Erlangen und Nürnberg kam die Stadt immerhin an fünf Medizinstudenten, die mithelfen wollen, die Arbeit zu erledigen.

Nach dem Eichhörnchen-Prinzip besetzte das Personalamt am Ende 131 Vollzeitstellen mit 166 Frauen und Männern, viele von ihnen erhielten befristete Verträge. Kämmerer Harald Riedel ist zuversichtlich, eine ganze Reihe von ihnen verlängern zu können, schließlich wolle man den "optimalen Endzustand" erreichen.

Sollte die Corona-Pandemie eines Tages erledigt sein, müsse man sich unterhalten, wie man die Stellen dauerhaft sichern könne. Denn danach mache uns vielleicht ein anderes Virus zu schaffen. Es könne schließlich nicht sein, dass das Gesundheitsamt jedes Mal wie im "Schweinsgalopp renne, um die Situation in den Griff zu kriegen".

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