Aus nach über 100 Jahren: Metzgerei Stübinger macht zu

24.5.2018, 06:00 Uhr
Die Metzgerei Stübinger am Aufseßplatz gibt auf. Nur noch bis zum Wochenende hat sie für Kunden geöffnet.

© Eduard Weigert Die Metzgerei Stübinger am Aufseßplatz gibt auf. Nur noch bis zum Wochenende hat sie für Kunden geöffnet.

75 Jahre ist Hannes Stübinger alt, und noch immer arbeitet er täglich sechs Stunden lang mit. Er würde es wohl auch nicht anders wollen, nach sechs Jahrzehnten der Leidenschaft für sein Handwerk, das er einst von seinem Vater gelernt hat. Mittlerweile jedoch ist seine Tatkraft unentbehrlich, denn seit die Metzgerei Stübinger am 26. Januar ihre Schließung verkündet hat, sind einige der 25 Mitarbeiter bereits gegangen. Die verbliebene Belegschaft wird ihren letzten Arbeitstag am Samstag haben.

Hannes Stübinger bildete auch seinen Sohn, der ebenfalls Hannes heißt, zum Metzger aus – nachdem der zuvor etwas anderes gelernt hatte. Stübinger junior ist längst Chef des Betriebs geworden, doch statt die Familientradition fortzuführen, markiert er nun ihr Ende. "Wir geben auf", sagt er, "aber wir tun das verantwortungsbewusst."

In Erlenstegen oder Zabo erzielt man mehr Umsatz

Eine Insolvenz, bei der Mitarbeiter und Gläubiger auf offenen Zahlungen sitzenbleiben, das wollte die Familie nicht. Doch warum schließt sie ein Unternehmen, das seit über 100 Jahren besteht? Stübinger senior hatte die Geschäftsräume noch 2001 umgebaut. In einem Aufenthaltsraum nehmen sich Vater und Sohn die Zeit für ein offenes Gespräch mit dem Stadtanzeiger. Mit sachlichem Ernst, aber auch mit drastischen Worten schildern sie den Niedergang und führen mehrere Gründe dafür an.

Auf die Frage nach dem Warum platzt es aus Stübinger senior heraus: "Ja, weil das hier ein Ghetto ist!" Es habe gesellschaftliche Veränderungen in Galgenhof gegeben, in der Südstadt überhaupt, wodurch der Käuferkreis kleiner geworden sei. Die verbliebenen Kunden würden es bedauern, doch viele sagen ebenfalls, dass sie hier nicht mehr wohnen wollen.

Sicher könne man beispielsweise in Erlenstegen oder Zerzabelshof mehr Umsatz erzielen, aber: "Wenn man heute einen neuen Standort eröffnen will, dann braucht man Mittel von einer halben Million." Das sei einfach nicht zu erwirtschaften. Nicht mit einer Metzgerei, wenn Fleisch überall als ungesund verschrien werde, während Zucker sorglos in aller Munde sei. Die ganze Branche leide darunter.

Zu wenig Parkplätze

Zwar seien Kunden von außerhalb vom Umfeld abgestoßen gewesen, doch hätte eine bessere Parkplatzsituation die Lage möglicherweise entspannt, fügt der Junior an. Im Viertel sei die Kaufkraft gering, während Stübinger als handwerkliche Metzgerei eher hochpreisige Produkte bietet. Und das Geld sei nicht das einzige Hindernis, wie er erklärt: "Zu einem großen Teil leben hier in der Gegend Muslime, die kaufen nicht in einem Schweinefleisch verarbeitenden Betrieb ein."

Etwa seit einem Jahrzehnt seien die Umsätze zurückgegangen, schätzt der Senior, nennt jedoch die Kaufhof-Schließung vor sechs Jahren und die dadurch ausgebliebene Laufkundschaft als einschneidendes Ereignis: "Beim Kaufhof-Gebäude, da hat die Stadt ja nichts dazu getan, dass es da mal zu einer Lösung kommt." Er fragt sich, warum die Politiker nicht wenigstens Parkplätze an dieser Stelle geschaffen haben.

Mittelständler zahlen mehr als Großbetriebe

Und trotz sinkender Umsätze seien die Kosten gleich hoch geblieben. Die monatlichen Stromkosten etwa beziffert der Junior auf 3000 Euro, inklusive 900 Euro EEG-Umlage. Die dient zur Deckung der Kosten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, erklärt er, nennt aber einen Haken: Zahlen müssten die nur die kleinen Läden an der Ecke, also der Mittelstand. "Große Industriebetriebe sind befreit, die müssen ja international wettbewerbsfähig sein." Er sagt das mit Unverständnis.

Die Frage, was nach der Schließung mit dem Laden passiert, ist noch nicht abschließend geklärt. Schnellimbiss-Betreiber hätten angefragt, doch wolle die Familie kein Risiko eingehen und lieber einen soliden Mieter finden. Sie bot die Räume unter anderem einem expansionwilligen Sanitätshaus an. "Aber auch denen passte die Lage nicht", so der Junior, "sie wollen nicht in die Südstadt."

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