Ausgemustert: Alternde Polizeihunde gehen in Bayern fast leer aus

27.1.2021, 05:58 Uhr
Spielerisches Training bei der Polizei: Diensthundeführer Klaus Gumbrecht mit seiner Schäferhündin "Kira". 

© Michael Matejka, NN Spielerisches Training bei der Polizei: Diensthundeführer Klaus Gumbrecht mit seiner Schäferhündin "Kira". 

Auch Diensthunde der Polizei gehen einmal in den Ruhestand. Doch was dann? Es sind "Gebrauchshunde", wie es im Fachjargon heißt. Doch sind die Vierbeiner keine Gebrauchsgegenstände. Ist die Dienstwaffe eines Polizisten einmal kaputt und irreparabel, wird sie ausgemustert. Bei Diensthunden sieht das natürlich anders aus. Mit den Jahren hat ein Diensthundeführer zu seinem Tier eine enge Verbindung aufgebaut - den vierbeinigen Freund abzugeben, wenn dieser das Pensionsalter erreicht hat, kommt so gut wie nie vor.

Klaus Gumbrecht ist Diensthundeführer bei der mittelfränkischen Diensthundestaffel in Nürnberg. "Kira" heißt seine Schäferhündin. Sie ist ein ausgebildeter Schutz- und Drogenspürhund. Zahlreiche Täter hat die heute Zehnjährige schon in ihren Dienstjahren gestellt. Sie ist Teil der Familie Gumbrecht, sie fährt auch mit in den Urlaub: "Sie war mit dabei auf Sardinien, auf Mallorca oder am Gardasee", erzählt der 51-jährige Diensthundeführer. Doch nun nähert sich Kira allmählich dem Ruhestand. Gumbrecht geht davon aus, dass sie noch bis zum 12. Lebensjahr im Dienst sein kann - sofern sie die jährliche Leistungsüberprüfung besteht. Diensthunde können ab dem zehnten Lebensjahr in Rente gehen.

Eigentum des Freistaates

Und da beginnt das Problem: Geht ein Polizeihund in den Ruhestand, bekommt sein Herrchen oder Frauchen ab dem 10. Lebensjahr vom Freistaat Bayern eine monatliche Pauschale in Höhe von 75 Euro. In der aktiven Zeit des Vierbeiners kommt das Land für die Kosten voll auf, er ist Eigentum des Freistaates. "Sofern sein bisheriger Hundeführer damit einverstanden ist, wird diesem das Tier mit einem Pflegevertrag überlassen", sagt ein Sprecher des Innenministeriums.

"Kira" ist ein belgischer Schäferhund. Sie ist bei der Polizei zum Schutz- und Drogenspürhund ausgebildet worden.

"Kira" ist ein belgischer Schäferhund. Sie ist bei der Polizei zum Schutz- und Drogenspürhund ausgebildet worden. © Michael Matejka, NN

Doch die Pauschale reicht nicht, der Diensthundeführer bleibt auf den Kosten sitzen, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Hundesteuer, Tierarztrechnungen, Haftpflichtversicherung und Futterkosten tragen die Polizisten und Polizistinnen zum großen Teil selbst. Schlimmer noch: "Sollte ein Diensthund vor dem 10. Lebensjahr aufgrund von Leistungsdefiziten in Rente gehen, bekommt der Diensthundeführer bis zum 10. Lebensjahr für seinen Rentnerhund keinen einzigen Cent", moniert die GdP Bayern.

Vor allem die Tierarztkosten seien hoch, zumal die Hunde während ihrer Dienstjahre starken Belastungen ausgesetzt sind und die tiermedizinischen Folgen oft erst im Alter zum Vorschein kommen. "Es sind hohe körperliche Ansprüche, die ein Diensthund erfüllen muss. Im Training und im Einsatz. Alleine das Beißen, wenn ein Tier am Täter zerrt, belastet den Rücken enorm", beschreibt es Ulrike Rauskolb-Kunz, stellvertretende Vorsitzende der GdP Bayern.

Bayern hat rund 400 Polizeihunde

Diensthunde werden in Bayern bei der Polizei etwa speziell zu Rauschgiftspürhunden, Schutzhunden, Sprengstoffhunden, Leichenspürhunden, Alpinsuchhunden und Personensuchhunden ausgebildet. Insgesamt sind bei der bayerischen Polizei rund 400 Hunde im Einsatz.

Nach Ansicht von Ulrike Rauskolb-Kunz hat die Politik rückblickend sehr oft über die neue Reiterstaffel der bayerischen Polizei und deren edle Walache gesprochen. "Aber nicht nur Pferde sind ein tolles Einsatzmittel, sondern auch unsere Diensthunde", sagt sie. Im Vergleich liegen andere Bundesländer in Sachen "Hunderente" teils deutlich weiter vorne: In Hamburg bekommt ein Diensthund a.D. monatlich etwa 110 Euro, Berlin pro Jahr 1400 Euro und in Thüringen pro Monat 85 Euro.

Explodierende Behandlungskosten

Klaus Gumbrecht ist auch Vorsitzender der "Polizeihundefreunde e.V." mit Sitz in Nürnberg. Der Verein ist 2009 ins Leben gerufen worden, auch, um Verantwortung für Diensthunde im Rentenalter zu übernehmen. Er springt auch ein, wenn ein Polizeihund a. D. krank wird und die Tierarztkosten explodieren. "Uns geht es um das Wohl des Hundes", sagt er. Der Verein übernehme für Mitglieder auch schon mal Behandlungskosten bis zu 1000 Euro und darüber hinaus.

Das sogenannte Cauda-equina-Syndrom beispielsweise kommt bei Hunden, die dauerhaft körperlichen Belastungen ausgesetzt sind, oft vor. Dabei quetschen die Wirbel Nerven ein, der Hund hat heftige Schmerzen, Lähmungen können die Folge sein. "Man kann das operieren. Dabei werden die verwachsenen Wirbel aufgefräst, damit die Nerven wieder Platz haben", erklärt Gumbrecht. Das könne aber nur ein spezialisierter Tierarzt machen, zwei sind ihm bekannt: einer in Dettelbach (Kreis Kitzingen), ein anderer in Würzburg.

"So eine OP kostet rund 5000 Euro", sagt der Vereinsvorsitzende. Unterstützt hat der Verein auch schon einen Diensthundeführer, dessen Vierbeiner einen aggressiven Tumor hatte. "Das Tier bekam eine Chemotherapie. Pro Jahr kostete das 6000 Euro", erzählt Gumbrecht.

Der Freistaat sieht sich hier nicht in der Pflicht. Eine gewisse Einsicht über die Schieflage der Kostenverteilung bezüglich der Hunde im Ruhestand scheint sich im bayerischen Innenministerium aber schon breit gemacht zu haben. "Die Tierarztkosten können aufgrund altersbedingter Leiden und Folgeerkrankungen durch die körperlich anspruchsvolle Tätigkeit im Dienstzeitraum erheblich steigen und den Beamten finanziell stark belasten", schreibt ein Ministeriumssprecher. Und weiter: "Eine Arbeitsgruppe der Polizei erstellt derzeit Vorschläge zur Anpassung des Tierüberlassungs- und pflegevertrags." In der ersten Hälfte dieses Jahres soll es dazu eine Entscheidung geben.

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