Schau im Spielzeugmuseum

Ausstellung in Nürnberg: Wie rassistisch ist eigentlich unser Spielzeug?

15.7.2021, 17:34 Uhr
Ausstellung in Nürnberg: Wie rassistisch ist eigentlich unser Spielzeug?

© NNZ

Die tanzende Blechfigur "Alabama Coon Jigger" von 1912 sorgte im Haus an der Karlstraße für Aufregung: "Das ist Rassismus pur, den Sie da zeigen. Dieses Objekt verletzt mich und alle Menschen mit afroamerikanischen Wurzeln", beschwerte sich die schwarze Amerikanerin Adwoa Mtongo bei der Leitung des Spielzeugmuseums.

"Herabwürdigend und lächerlich"

Die schlaksige Figur auf einem Podest kann man mit einem Schlüssel aufziehen und für sich tanzen lassen. Sie stammt aus der Zeit des Kolonialismus, als Weiße als Herren über schwarze Sklaven bestimmten. "Spielzeug an sich ist nicht rassistisch, nur dann, wenn es Menschen entstellt, herabwürdigt und lächerlich macht", betont Kuratorin Mascha Eckert.

Es gibt einen kurzen, erklärenden Text zum Spielzeug, doch damit allein ist es nicht getan. Denn das Objekt wirkt stärker, der optische Eindruck ist entscheidend. Daher haben zwei schwarze Künstlerinnen die Vitrinen mit Zeichnungen ergänzt, die dem Spielzeug das Verletzende nehmen sollen. Hinter dem schwarzen Tänzer stehen drei Bilder: Darauf zieht der "Alabama Coon Jigger" den Aufziehschlüssel aus der Verankerung und wirft ihn weg: Er tanzt also nur mehr, wenn er selbst will - signalisiert die Darstellung.

Gesicht schwarz angemalt

Das Kartenspiel "Schwarzer Peter" ist in der Vitrine als Kartenhaus errichtet. Daneben steht eine kleine schwarze Figur, die die fragile Konstruktion mit einem gezielten Tritt zusammenfallen lassen kann. Allein schon die Spielanleitung, dass sich der Verlierer - der den "Schwarzen Peter" in der Hand hält - sich sein Gesicht schwarz anmalen muss, ist diskriminierend.

Ausstellung in Nürnberg: Wie rassistisch ist eigentlich unser Spielzeug?

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Rassistisches Spielzeug wird auch in der Gegenwart hergestellt: Eine schwarze Puppe, die nur spärlich mit einem Leoparden-Lendenschurz bekleidet ist, gibt es im Internet. Sie suggeriert ein falsches Bild von schwarzen Menschen - gerade so, als würden sie heute noch im Urwald herumlaufen und auf die Jagd gehen. Die Ausstellungsmacher haben die Puppe mit schicken, modernen Kleidern umgeben - fast eine Schutzwand vor Stereotypen und Vorurteilen.

Nur acht Objekte ausgestellt

Nur acht Objekte hat die Sonderschau "Spielzeug und Rassismus. Perspektiven, die unter die Haut gehen". Sie sind in kleinen Vitrinen präsentiert, die bewusst im Laufweg des Besuchers stehen, um ihn damit zu konfrontieren. Schließlich sollen die Exponate nicht unauffällig versteckt in einer Ecke verschwinden.


"Genau hinschauen": Ein Kommentar zur Rassismusdebatte


Die Zahl der als rassistisch eingestuften Spielwaren des Museums ist mit 70 bis 80 Exemplaren überschaubar - im Vergleich zu insgesamt 90.000 Objekten. Die meisten der beanstandeten Figuren lagern im Depot.

Kein erhobener Zeigefinger

"Museen müssen hochsensibel und verantwortungsbewusst mit Geschichte umgehen", unterstreicht Karin Falkenberg, Direktorin des Spielzeugmuseums, "denn wie wir Geschichte interpretieren, wirkt sich auf unsere Gegenwart aus." Kein erhobener Zeigefinger, sondern Verständnis und Toleranz sind das Anliegen der Sonderschau.


Große Baustelle im Spielzeugmuseum


Gerade weil Spielzeug allgemein so unverdächtig, fröhlich und freundlich wirkt, hat sich das Museum intensiv mit dem Thema Rassismus beschäftigt. Das Team absolvierte einen Antirassismus-Workshop mit professionellem Coaching, eine Projektgruppe befasste sich mit antirassistischem Kuratieren.

Ein Schaufenster zeigt am Ausgang antirassistisches Spielzeug - als positiven Ausklang.


Das Spielzeugmuseum ist dienstags bis freitags von 10 Uhr bis 17 Uhr, samstags und sonntags ab 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.

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