Baby im Stadtrat: "Man kann das Mandat nicht ruhen lassen"

26.11.2017, 05:58 Uhr
Diana Liberova (li.) brachte Lior mit in den Stadtrat.

© Sabine Stoll Diana Liberova (li.) brachte Lior mit in den Stadtrat.

Lior, knapp vier Monate alt, hat die Haushaltsberatungen mit Bravour gemeistert. Er hat geschlafen, genuckelt und kaum einen Mucks von sich gegeben. "Saubrav" sei er gewesen, findet OB Ulrich Maly (SPD). Dass Liberova mit ihrem Baby da war, "ist in diesem Alter eine Selbstverständlichkeit".

Das sehen nicht alle so. Auf der Facebook-Seite der Lokalredaktion wird das Foto, das Diana Liberova während der Sitzung mit Baby im Arm zeigt, munter diskutiert. "Geht’s noch? Was hat da ein Kleinkind zu suchen?", mokiert sich eine Frau. "Entweder Kind oder Sitzung." Der nächste bringe seinen Hund, ein anderer seinen Papagei mit, "lustig wird’s im Stadtrat", zürnt die Userin.

Die Angegriffene, Diana Liberova, nimmt es gelassen, auch wenn sie sich fragt, welches Frauenbild hinter solchen Kommentaren steckt. Dem Baby habe die Sitzung sicher nicht geschadet, sagt sie. Es sei das Beste fürs Kind, bei der Mutter zu sein.

"Ich glaube nicht, dass sich Frauen heutzutage zwischen Kind und Mandat entscheiden müssen." Das sei Gleichberechtigung und Teilhabe. "Für mich als SPD-Politikerin gehört Familie zum politischen Alltag mit dazu", fährt die 36-Jährige fort.

 "Das muss unsere Gesellschaft akzeptieren"

Liberova ist nicht die Erste, die ihr Kind mit in den Sitzungssaal bringt. Auch CSU-Stadträtinnen ließen den neugeborenen Nachwuchs schon teilnehmen. Rita Heinemanns Sohn Robert war gerade einmal 21 Tage alt, als er seine erste Stadtratssitzung erlebt hat. "Für mich war das selbstverständlich", erinnert sie sich.

"Das muss unsere Gesellschaft akzeptieren. Man darf die Kinder nicht abschieben", fährt die Stadträtin fort. Robert ist seitdem durch diverse Sitzungssäle gekrabbelt. Er ist jetzt fast 15 und "kennt sich aus im Rathaus", sagt seine Mutter.

Bezirksrätin Catrin Seel nahm ihre Tochter auch auf CSU-Termine mit. Neben ihr Bezirksrat Peter Daniel Forster (li.) und der Landtagsabgeordnete Karl Freller.

Bezirksrätin Catrin Seel nahm ihre Tochter auch auf CSU-Termine mit. Neben ihr Bezirksrat Peter Daniel Forster (li.) und der Landtagsabgeordnete Karl Freller.

Auch der Sohn der stellvertretenden CSU-Fraktionschefin Kerstin Böhm war anfangs im Stadtrat dabei. "Wie soll es anders gehen, wenn man eine stillende Mama ist?", fragt Böhm. "Man kann ja das Mandat nicht einfach ruhen lassen." Böhm findet es völlig in Ordnung, das Baby mitzunehmen. "Wenn das Kind läuft, geht es natürlich nicht mehr."

Bezirksrätin Catrin Seel nahm ihre drei Kinder ebenfalls in Sitzungen mit, als sie noch ganz klein waren. Auch die Steuerberaterin spricht von einer Selbstverständlichkeit. Von Kollegen sei sie allerdings schon gefragt worden, ob denn der Vater nicht aufpassen könne, erzählt sie. Mit dem Satz "Der Papa hat das Stillen noch nicht gelernt" hat Seel solche Debatten schnell beendet.

Kritische Kommentare "völlig daneben"

Die zitierten kritischen Kommentare hält Seel für "völlig daneben". "Was sollen Frauen machen? Sollen sie ihr Mandat niederlegen?" Auch die Frauenbeauftragte der Stadt, Hedwig Schouten, ist überrascht davon, dass es negative Reaktionen gibt. "Solange es dem Kind gut geht, sehe ich persönlich das Problem nicht."

Von der Stadtspitze haben Eltern, die ihr Baby in die Sitzung mitbringen, volle Rückendeckung. "Das hält der Stadtrat aus, dass mal jemand quiekt und quäkt", sagt OB Maly. Außerdem erinnere das die Stadträte und ihn selbst daran, dass man nicht der Nabel der Welt sei, sondern dass es da noch etwas Wichtigeres gebe.

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