Baby in Badewanne sterben lassen: Rotherin muss in Haft

19.4.2019, 11:26 Uhr

Eine Frau steigt in die Badewanne, bringt ein Baby zur Welt und lässt es im Wasser sterben - viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe verhängt die Schwurgerichtskammer, Totschlag durch Unterlassen ist die juristische Formel, in die das Urteil gegossen ist.

Es ist ein Schuldspruch, der davon ausgeht, dass Silvia B. ihre kleine Tochter am Abend des 8. September 2018 nicht "durch aktives Tun" getötet hat, wie es in der Urteilbegründung heißt, vielmehr "hat sie durch Unterlassen gehandelt". Man könnte auch sagen, die 28-jährige Silvia B. (Name geändert) hat ihre kleine Tochter nicht mit Absicht erstickt. Sie hat sie nicht erwürgt oder deren kleinen, 3710 Gramm leichten Körper, nicht aktiv unter Wasser gedrückt - Silvia B. brachte am 8. September zwischen 18.30 und 19.30 Uhr heimlich ein Kind zur Welt, und ließ es nach der Geburt einfach in der gefüllten Wanne liegen.

Mindestens drei Minuten, wie die Rechtsmediziner erklärten. Und auch als sie sah, dass der Säugling blau angelaufen war, unternahm sie nichts. Sie hob das Kind aus dem Wasser, packte es in einen Karton und versteckte die Kinderleiche in ihrem Zimmer. Die Richter der Schwurgerichtskammer, drei Berufsrichter und zwei Schöffen, gehen zu Gunsten der Angeklagten davon aus, dass sie nicht glaubte, dass Versuche, das Kind wiederzubeleben, nützen könnten.

Viele Fragen nicht gestellt

Aber wie es soweit kommen konnte? Wirklich zu verstehen ist es nicht - auch weil viele Fragen - Silvia B. wurde bereits am Tag nach der Tat verhört - von der Polizei nicht gestellt wurden. So bleibt etwa offen, wie es sein kann, dass niemand ihrer Familie den Geburtsvorgang im Badezimmer gehört hat.

Vor Gericht hat Silvia B. geschwiegen, und ein Schreiben, das ihre Rechtsanwältin Sandra Rothschild am Ende der Beweisaufnahme vorlegt, bietet wenig Erklärung, sondern liefert allenfalls Schutzbehauptungen, die das Gericht ihr nicht glaubt. Wie weggetreten sei sie nach der Geburt gewesen, teilt sie mit, sie sei letzlich unfähig gewesen, zu handeln und das Kind aus dem Wasser zu heben.

Doch eine psychische Ausnahmesituation sieht die Strafkammer nicht. "Eine Geburt mag schwächen. Aber auch wenn die Mutter in einem Ausnahmezustand war, es wäre kein großer Kraftakt gewesen, das Kind aus dem Wasser zu ziehen", sagt Barbara Richter-Zeininger, die Vorsitzende Richterin der Strafkammer.

Von ihrer dritten Schwangerschaft hatte die Mutter zweier Söhne Anfang 2018 erfahren. Ihrem damaligen Lebensgefährten erzählte sie nichts, sie fürchtete, er würde sie verlassen. Silvia B. lebte mit ihrem dreijährigen Sohn bei ihrer Mutter, die Beziehung zu ihrem vorherigen Partner war in die Brüche gegangen, bei ihm wächst der gemeinsame, fünfjährige Sohn auf - eine Entscheidung, die Silvia B. nicht freiwillig getroffen hatte. Ein Sorgerechtsstreit ging voran, das Jugendamt sah das Kindswohl bei Silvia B. gefährdet.

Silvia B. hatte ihre Ausbildung zur Krankenschwester abgebrochen, sie lebte von Kindergeld und Unterhaltszahlungen des ersten Partners, ihre Mutter legte ihr nahe, sich eine eigene Wohnung zu suchen, sollte sie noch ein Kind kriegen - da auch die beiden Brüder der Silvia B. im Haus in Roth leben, wurde es eng.

Silvia B. leugnete Schwangerschaft

Ihre wachsende Leibesfülle erklärte Silvia B. ihrer Familie mit Wassereinlagerungen, hilflos so legte es Psychiater Michael Wörthmüller dar, nahm sie ihre Schwangerschaft zwar wahr, schob aber gleichzeitig den Gedanken daran weg, konnte mit der Situation nicht umgehen und vermied die Auseinandersetzung und jede Entscheidung.
Den Nachfragen ihrer Familie begegnete sie mit Lügen - und um nach der Geburt den nunmehr fehlenden Bauch zu erklären, schildert sie ihrem Freund einen plötzlichen, massiven Wasserverlust ihres Körpers. Kein Widerspruch zu ihrer hilflosen Art, sagt der Psychiater, auch manipulative, dissoziale Anteile gehörten zur Persönlichkeit der Silvia B., die bereits wegen Betrug vorbestraft ist.

Nach der Geburt, als sich ihre Figur gleichsam über Nacht verändert hatte, konnten ihre Mutter und ihre Brüder das Misstrauen nicht mehr unterdrücken. Sie durchsuchten Silvia B.s Zimmer und entdeckten den Karton mit der Kinderleiche.
Oberstaatsanwältin Gabriele Ebenhöch hatte sieben Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Die Verteidigung ging von fahrlässiger Tötung aus und beantragte eine Bewährungsstrafe, hilfsweise sei ein minder schweren Fall anzunehmen.
Auch aufgrund der Besonderheiten der Persönlichkeit der Silvia B. stuft die Strafkammer die Tat als minder schweren Fall ein, die Vorstrafen der Angeklagten wurden zu ihren Lasten gewertet.