Bachelorarbeit: Vesperkirche spricht breites Publikum an

20.2.2018, 13:59 Uhr
Bachelorarbeit: Vesperkirche spricht breites Publikum an

© Marina Hochholzner

Eigentlich sogar gleich zwei Untersuchungen führte Julia Eisner im Rahmen ihrer Bachelorarbeit durch: In einer vorhergehenden Studienarbeit analysierte Leisner das Selbstverständnis der Vesperkirche anhand von Interviews mit ehrenamtlichen Mitarbeitern. "Es wurde dabei deutlich, dass die Vesperkirche ein breites Publikum ansprechen will, also auch Leute, die nicht arm sind und auch Menschen mit unterschiedlichen Konfessionen. Jeder sollte willkommen sein." Anders als zum Beispiel bei der "Nürnberger Tafel" gebe es daher keine Bedürftigkeitsprüfung.

In der von Soziologie-Professorin Sabine Fromm betreuten Bachelorarbeit ging es anschließend darum, "ob es die Vesperkirche schafft, Menschen mit unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten zusammenzubringen", erklärt Leisner. Die Studentin verteilte im Februar 2017 an zwei Tagen Fragebögen beim Vesperkirchenpublikum. Die Studie ist nicht repräsentativ, aber die Ergebnisse der Stichprobe mit rund 150 Teilnehmern legen nahe, dass das Sozialprojekt seinen selbstgesteckten Anspruch erfüllt. "Der Anteil von Erwerbstätigen und Arbeitslosen ist fast gleich hoch", sagt die 30-Jährige.

Kaum Ausgrenzung in der Vesperkirche

Von den Befragten gaben 36 an, keinen Job zu haben, 34 sagten, dass sie in Arbeit sind. Hinzu kamen 73 Rentner (das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 59 Jahren) und sieben Studenten oder Schüler (Kinder hat die Autorin nicht in die Untersuchung einbezogen). Leisner hat zudem drei Kriterien als Maßstab angenommen, ob jemand von Ausgrenzung bedroht ist: den Bezug von Sozialleistungen, das subjektive Gefühl, gesellschaftlich nicht dazuzugehören und fehlende finanzielle Mittel. Bei genau der Hälfte der Befragten traf mindestens eines dieser Kriterien zu, bei der anderen Hälfte nicht.

Auch hier, schlussfolgert Leisner, zeigt sich eine Durchmischung der Milieus. Die Befragung ergab zudem, dass die Menschen an den Mittagstischen überwiegend immer wieder mit anderen Leuten zusammensitzen (76,3 Prozent) und die Gespräche dort als angenehm empfinden (81,8). "Das gemeinsame Essen ist ein Zungenlöser", meint Leisner.

Und auch räumlich erfüllt das Projekt Leisners Ergebnissen zufolge den Vorsatz, möglichst viele und unterschiedliche Menschen anzusprechen. Der Anteil der Südstädter unter den Befragten lag mit 41,7 Prozent nur ganz knapp über dem Anteil derjenigen, die aus anderen Stadtteilen den Weg in die Gustav-Adolf-Gedächtniskirche finden (41,1). 15,9 Prozent wohnen gar außerhalb von Nürnberg.

Was die Art der Angebotsnutzung angeht, so folgen hinter dem Mittagessen, das 96 Prozent der Besucher zu sich nehmen, Kaffee und Kuchen (68,2) und der Gottesdienst (35,1) auf den Rängen zwei und drei. Auf Platz vier liegen die Konzerte (27,8). Die sozialen Angebote, die sich an ärmere Menschen richten, belegen eher hintere Plätze. Wobei es schon bezeichnend sei, meint Leisner, dass immerhin 17,9 Prozent den kostenlosen Friseur in Anspruch nehmen.

Auch soziale Interessen werden bedient

"Dennoch zeigt die Auswertung der Nutzungsmotive, dass der Aspekt der Existenzunterstützung zwar eine Rolle spielt, die sozialen Nutzungsmotive aber überwiegen." So gaben 58,9 Prozent als Motiv für ihren Besuch an, sich auf die Geselligkeit beim Mittagessen zu freuen, jeweils knapp über 50 Prozent wollen dort neue Leute kennenlernen oder Bekannte treffen. Zum Vergleich: 35,8 Prozent sagten, durch das billige Mittagessen Geld zu sparen. 21,2 Prozent gaben an, dort Angebote zu nutzen, die sie sich sonst nicht leisten könnten.

Deswegen, bilanziert Leisner, könne man sagen, dass die Vesperkirche über eine reine Armenspeisung weit hinausgeht. Indem sich das Projekt eben gerade nicht auf Hilfebedürftige konzentriere, baue es Barrieren ab. "Es gelingt der Kirche, ihre sozialen Angebote ohne Stigmatisierung bereitzustellen", sagt Leisner. "Damit leistet sie einen wertvollen Beitrag zur Verständigung." Und die Studentin hat diesen Beitrag gründlich untersucht. Für ihre Arbeit gab es jedenfalls die Note 1,0.

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