Einfuhr-Verbot

Beim Zoll kommt derzeit ungewöhnlich viel verbotene Ware an

18.6.2021, 06:37 Uhr
Beschlagnahmte Waren: Das Hauptzollamt Nürnberg zeigte im Februar 2019 auf der Freizeit-Messe in Nürnberg verarbeitete Teile von Tieren, die unter Artenschutz stehen, und die der Zoll aus dem Verkehr gezogen hat.

© Roland Fengler, NN Beschlagnahmte Waren: Das Hauptzollamt Nürnberg zeigte im Februar 2019 auf der Freizeit-Messe in Nürnberg verarbeitete Teile von Tieren, die unter Artenschutz stehen, und die der Zoll aus dem Verkehr gezogen hat.

Es sind die Kleinteile, die beim Zoll unnötig großen Aufwand verursachen. Mit einem Mausklick lassen sich im Netz Haargummi, Stifte, Kosmetikartikel, Schlüsselanhänger und mehr bestellen - Waren, deren Wert eher gering ist. Viele dieser Produkte haben einen langen Reiseweg hinter sich, wenn sie in sogenannten Drittländern bestellt wurden, also Staaten, die außerhalb der Europäischen Union liegen.

Jetzt aber steht eine Änderung ins Haus, mit der die Flut an Sendungen von Kleinteilen abnehmen könnte. Bisher konnten Kleinsendungen bis zu einem Wert von 22 Euro steuerfrei importiert werden. Das wird mit dem 1. Juli 2021 entfallen. Damit wird eine EU-Richtlinie jetzt auch in Deutschland umgesetzt. "Durch die Abschaffung der Wertgrenze werden Wettbewerbsnachteile für heimische Unternehmen beseitigt", erklärt Martina Stumpf, Pressesprecherin des Hauptzollamtes Nürnberg. Profitiert haben von der Freigrenze bislang Unternehmen von außerhalb der EU. Sie konnten somit ihre Versandprodukte kostengünstiger in der EU vertreiben - ein Wettbewerbsnachteil für Händler innerhalb der EU. Sie müssen unabhängig vom Wert der verkauften Ware die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen.

Plagiate im Karton

Bedenkliche Sendungen, deren Empfänger in Nürnberg, im Nürnberger Land, in Schwabach oder im Landkreis Roth leben, landen zunächst einmal hier im Zollamt am Nürnberger Hafen. "Oben geht's um die Ausfuhr, unten um die Einfuhr", beschreibt Amtsleiterin Christine Luber die Aufteilung des zweigeschossigen Zoll-Gebäudes an der Hamburger Straße. "Unten" steht auch gerade Jessica Winkler in der Ausgabestelle vor einem offenen Karton und hält ein paar weiße Sportschuhe in den Händen: Es sind Plagiate. Dem Empfänger blühen Ansprüche des Markenrechtsinhabers. "Die Ware bekommt er natürlich nicht. Wie bei allen Sendungen, die wir aus dem Verkehr ziehen, kommen auch diese Schuhe nicht mehr in den Wirtschaftskreislauf", sagt Sprecherin Martina Stumpf. Die Gegenstände landen in der Müllverbrennung oder im Falle von Elektro-Waren im Wertstoffhof.

Sendungen aus Drittstaaten kommen zunächst in den großen Zollämtern in Frankfurt und Leipzig an. Haben die Beamtinnen und Beamten dort bei einem Paket, Päckchen oder Kuvert einen Anfangsverdacht, leiten sie die Sendung an das jeweilige Zollamt weiter, in dessen Zuständigkeitsbereich der Empfänger wohnt. Hier kann er seine Post aus dem Ausland abholen - aber zuerst muss er im Zollamt Hafen die Sendung öffnen und dem Beamten einen Blick hinein gewähren. Oft gibt es dann ein böses Erwachen.

Unbelehrbare Frau muss Strafe zahlen

Seit Anfang April sind massenweise Waren beim Zollamt Hafen angekommen, deren Einfuhr verboten ist. Die Absender der Postpakete liegen in verschiedenen Ländern. In knapp 40 Paketsendungen haben die Zöllnerinnen und Zöllner hier gefälschte Markenartikel - darunter Kleidungsstücke, Schuhe und Taschen unterschiedlicher Hersteller - aus dem Verkehr gezogen. "Der Wert der Originalwaren hätte sich auf knapp 160.000 Euro belaufen, angemeldet wurde allerdings immer nur ein Bruchteil des Originalpreises", berichtet Stumpf. In einem Fall hält nun der Markeninhaber die Hand auf, nachdem eine unbelehrbare Frau aus dem Großraum Nürnberg sich zum zweiten Mal gefälschte Textilien eines Luxusmarken-Herstellers liefern ließ. "Die Frau muss jetzt 1000 Euro an den Rechteinhaber bezahlen."

Scheinbar unproblematische Präparate

"Wir sind auch dafür da, die Verbraucher zu schützen", betont Zollamts-Chefin Christine Luber. Waren aus Drittländern unterliegen nicht den Standards der EU und der Bundesrepublik. So können gefälschte Bremsscheiben oder Flugzeugteile ein Sicherheitsrisiko nicht nur für die Nutzer selbst sein. Stichwort: Arzneimittel. Einige Menschen wissen nicht, dass viele scheinbar unproblematische Präparate aus dem Ausland dem deutschen Arzneimittelgesetz unterliegen, die Einfuhr also verboten ist. "Privatpersonen dürfen nach dem deutschen Arzneimittelrecht auf dem Weg des Post- oder Kurierversands keine Arzneimittel aus dem Ausland beziehen", sagt Stumpf und weist überdies auf Irrtümer hin: Präparate wie Nahrungsergänzungsmittel, die im Ausland frei gehandelt werden, können in Deutschland als Arzneimittel gelten und dem Arzneimittelgesetz unterliegen.

Eine große Herausforderung an den Zoll haben die Beamtinnen und Beamten nach den Worten von Christine Luber bisher "gut gemeistert". Denn seit dem der Brexit Fakt ist, kommen täglich Sendungen aus Großbritannien im Zollamt am Hafen an. "Wir haben ein Regionenmodell in Deutschland entwickelt. Die Ämter helfen sich untereinander. Dank Digitalisierung", sagt Luber. Wie das funktioniert? Kommen in einem Zollamt sehr viele Sendungen aus Großbritannien an, dann können die Beamtinnen und Beamten ihre Kollegen in anderen Zollämtern um Hilfe bitten. Ein "Brexit-Koordinator" guckt, wer Luft zum Mithelfen hat. "Die anderen Ämter schalten sich dann zu. So können die Spitzen ganz gut abgearbeitet werden."

2 Kommentare