Beleidigungen im Netz: Auch Homeschooling birgt Gefahren für Kinder

15.2.2021, 05:22 Uhr
Laut einer Studie stieg während der ersten Schulschließungen im vergangenen Jahr die durchschnittliche Verweildauer von Zehn- bis 17-Jährigen in den sozialen Medien um 66 Prozent. Homeschooling ist dabei noch gar nicht inbegriffen.

© Bernd Feil/www.imago-images.de, NN Laut einer Studie stieg während der ersten Schulschließungen im vergangenen Jahr die durchschnittliche Verweildauer von Zehn- bis 17-Jährigen in den sozialen Medien um 66 Prozent. Homeschooling ist dabei noch gar nicht inbegriffen.

Statt Hockeytraining auf dem Feld oder in der Halle, wird nun im Chat immerhin ein wenig Sport betrieben. Doch das war es bei vielen dann schon. Die Jungs kicken nicht auf dem Bolzplatz, sondern zocken das Fußball-Computerspiel FIFA, das Chatten über WhatsApp muss die Treffen mit Freunden ersetzen und gelernt wird nicht gemeinsam neben einem Klassenkameraden und mit einem nahbaren Lehrer, sondern alleine zuhause – wenn man denn das nötige Gerät dafür hat.

An vielen Schulen konnte während des 1. Lockdowns von digitalem Unterricht und Video-Chats nicht die Rede sein. Die Folge waren Schüler, die beim Lernen nicht wirklich begleitet, geführt und unterstützt werden konnten. Zwar klagen Eltern zuweilen noch immer über fehlendes digitales Engagement einzelner Lehrer, doch an vielen Schulen gehören Video-Chats heute zum Alltag der daran teilnehmenden Kinder.

Neue Herausforderungen

Das stellt Eltern und Kinder vor neue Herausforderungen. Denn mit einem Gerät alleine ist es nicht getan. „Was das Homeschooling angeht, so sollten Eltern ihre Kinder auch auf mögliche Gefahren aufmerksam machen“, sagt Oliver Jäger, Medienberater beim Deutschen Kinderschutzbund in Nürnberg.


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Dabei seien Vorfälle, wie unlängst in Niederbayern und Hessen, bei denen sich Hacker Zugang zu einer Unterrichtsplattform für Grundschüler verschaffen konnten, und dort unter anderem pornografische Bilder einstellten, eher die Ausnahme, wie er sagt. „Das Problem, dass Gleichaltrige Zugangsdaten von Klassenkameraden weitergeben und dadurch den Schulchat missbrauchen, hat sich vielmehr verstärkt“, so der Sozialpädagoge weiter.

Blödsinn und Beleidigungen

Blödsinn, Beleidigungen, Bilder, die geteilt werden, um andere zu verunglimpfen. Längst ist das auch im Schulalltag in Zeiten von Corona angekommen. „Das hat zur Folge, dass auch manche Lehrer Angst haben, sich mit Bild oder im Chat zu zeigen“, wie Jäger weiß.

Daraus hat sich längst ein regelrechter Sport entwickelt, wie etwa auf der bei Kindern und Jugendlichen beliebten Plattform TikTok, wo Nutzer kurze mit Musik untermalte Videos hochladen können. "Dort gibt es inzwischen immer wieder regelrechte Aufforderungen, die Schulchats zu stören“, berichtet er. Der Unfug hat längst einen Namen: „Zoombombing“. So wurden erst unlängst Schüler einer Fürther Grundschule durch einen Fremden belästigt, der sich während des digitalen Unterrichts namentlich an die Kinder wandte und mit einem bedrohlichen Unterton unter anderem meinte, er wisse wo sie wohnen.

Was das Homeschooling angeht, so sollten Eltern ihre Kinder auch auf mögliche Gefahren aufmerksam machen“, sagt Oliver Jäger, Medienberater beim Deutschen Kinderschutzbund in Nürnberg.

Was das Homeschooling angeht, so sollten Eltern ihre Kinder auch auf mögliche Gefahren aufmerksam machen“, sagt Oliver Jäger, Medienberater beim Deutschen Kinderschutzbund in Nürnberg. © Jana Schneeberg, NNZ

Was auf den ersten Blick harmlos wirkt, da es hier nicht um Gewalt oder Pornographie geht, ist alles andere als eine Bagatelle. „Es stört zum einen den Unterricht, vor allem aber kann es gerade für Kinder im Grundschulbereich sehr irritierend und verängstigend sein“, sagt Jäger. Deshalb sei es auch hier wichtig, die Kinder zu begleiten und zu schützen.

Das umso mehr, da Kinder und Jugendlichen mehr denn je auf irgendein Display blicken: Laut einer Studie der Krankenkasse DAK stieg während der ersten Schulschließungen im vergangenen Jahr die durchschnittliche Verweildauer von Zehn- bis 17-Jährigen in den sozialen Medien um 66 Prozent. Der Konsum von Onlinespielen sogar um 75 Prozent.

Technik und Erziehung

Der beste Schutz ist dabei zum einen der durch technische Mittel. Eltern sollten Einschränkungen nutzen oder spezielle Schutzprogramme, wie etwa JusProg, das sichere Surfräume bietet. Die Kinder sollten aber auch darauf vorbereitet werden, dass es einmal zu unangenehmen Situationen im Netz kommen könnte – etwa blöd angeredet zu werden oder das ein Bild auf der Internetplattform Snapchat landet. „Es ist wichtig, dass Eltern hier auch Ausstiegsmöglichkeiten aufzeigen, wie man sich entziehen kann, wie etwa durch Wegklicken oder Blockieren.“

Trotz der Corona bedingten hohen Nutzungszahlen beruhigt Jäger Eltern. „Man sollte das im Moment aber auch nicht zu eng sehen. Denn diese Phase ist überschaubar und wird irgendwann auch wieder enden.“ Seiner Ansicht nach ist es in Ordnung, wenn ein Zehnjähriger derzeit zwei Stunden digital unterwegs ist – abgesehen von Homeschooling. Im Blick haben müssten Eltern das Thema aber immer.

Doch die Realität sieht anders aus. Denn viele gehen mehr als sorglos, um nicht zu sagen fahrlässig, mit dem Thema Mediennutzung ihrer Kinder um. Laut DAK-Erhebung gibt es in der Hälfte der Familien keinerlei zeitliche Regeln bezüglich der Mediennutzung.

Ohne jede Regel

Ein Umstand, den auch Oliver Jäger kennt. Manche Eltern würden das Thema ausklammern – etwa auch, um Streitereien darüber aus dem Weg zu gehen. Also bleibt das Handy schon mal die ganze Nacht bei dem 15-Jährigen, liegt das Smartphone schließlich neben dem Bett. Ein Umstand, den Jäger für „absolut nicht empfehlenswert“ hält. Man komme dadurch nicht aus der digitalen Schleife, abgesehen von Problemen beim Einschlafen. „Selbst wenn es nur neben einem liegt, bleibt es beim Dauerkonsum.“

Und übermäßiger Konsum hat massive Folgen: Abfall der Schulleistungen, hohes Risiko von Übergewicht, da oft vermehrt Süßgetränke zu sich genommen werden, zudem wird das Sättigungsgefühl beeinträchtigt, wenn man vor dem Bildschirm isst. „Das hat zur Folge, dass der Körper nach Stoffen verlangt, die er gar nicht abbauen kann“, wie Jäger weiß.

„Zur Erziehung gehört heute die digitale Ebene einfach dazu“, sagt er. Deshalb brauche es ganz klare Regeln. „Dann kann man auch friedlich mit diesen Medien leben.“

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