Beschmierte Streetart sorgt in Gostenhof für Ärger

8.7.2020, 14:21 Uhr
Beschmierte Streetart sorgt in Gostenhof für Ärger

© Foto: Jo Seuß

Bei zwei Stromkästen in der Oberen Seitenstraße haben rote Linien das Bild "getaggt", was bedeutet, dass ein anderer Sprayer sein Zeichen auf den Bildern hinterlassen hat. Beim Stromverteilerhaus am Rand des Jamnitzerparks wurde dagegen vehement in den weißen Farbeimer gelangt, um das große "Männerfreundschaften"-Werk der Gruppe "Diversity Media" künstlerisch zu verändern – oder zu beschädigen?

Die Ansichten über die Vorfälle in Gostenhof gehen seit dem letzten Juni-Wochenende weit auseinander. "Sosa-Gallery" hieß die Streetart-Aktion von Sophie Knoll, die das Thema "Freundschaft" auf rund 20 Strom- und Verteilerkästen aufgriff. Doch schon in der Nacht danach wurden die meisten Werke mit unübersehbaren Kommentaren versehen.

Beschmierte Streetart sorgt in Gostenhof für Ärger

© Foto: Jo Seuß

Weil N-Ergie und Telekom die Flächen unter gewissen Bedingungen zur Verfügung gestellt hatten, sah sich Knoll gezwungen, Anzeige zu erstatten. Was wiederum die Wellen nicht nur in den sozialen Medien noch höher schlagen ließ. Die 27-Jährige wurde zur Zielscheibe eines Shitstorms. Sie wurde beleidigt, fühlte sich bedroht, weshalb sie auch die Online-Diskussion beendete, was ihr zusätzlich Kritik einbrachte.

Unterstützung bekam sie von Sebastian Schnellbögl, der bei der Iniatiative Urban Labs das Gestaltungsprojekt "Quartier U1" betreut. Die "Sosa-Gallery" ist eines von 19 Projekten, die dem Gemeinwohl entlang der U-Bahnlinie U1 zwischen Muggenhof und Frankenstraße dienen soll. Dass viele Werke der Streetart-Aktion zerstört wurden, sei traurig, findet Schnellbögl. Sein Appell an die Verantwortlichen, die im Umfeld der autonomen Szene in Goho vermutet werden, lautet: "Zeigt Alternativen auf, wie ihr euch das Viertel vorstellt, statt gewaltsam zu reagieren. Und wenn ihr einen Diskurs führen wollt – sprecht Leute mit anderen Meinungen an."

Bei der Online-Diskussion auf Instagram wird das nächtliche Übermalen von der einen Seite verurteilt, andererseits werden die Initiatoren in die Mangel genommen, weil diese zuerst Aufkleber und Zeichen an den Stromkästen entfernt hätten, ohne vor Ort darüber zu reden. "Warum sollten eure ,Kunstwerke‘ denn besser sein als die der KünstlerInnen davor?", schreibt "seliiinn.ak", die "gleiches Recht für alle in Bezug auf Übermalen" fordert. Andere Kritiker verweisen auf die Grundregel von Streetart, die eben nicht für ewig sei, sondern sich ständig verändere.

Bastian Schnellbögl hält es für wichtig und spannend, dass "eine Diskussion über urbane Räume geführt wird" – samt der Frage: "Wann ist ein Viertel fertig?" Er möchte jedenfalls nicht Partei ergreifen, sondern wünscht sich Impulse für den weiteren Gestaltungsprozess. Sophie Knoll räumt gewisse Fehler ein. Sie habe "manches nicht ganz bedacht". Etwa die Frage der Motive, von denen manche "zu nett, zu oberflächlich" seien, wie einige vor Ort monieren.

Heinz-Claude Aemmer, Vorsitzender des Bürgerverein Gostenhof, findet es derweil "sehr fragwürdig, wenn Aktionen junger Künstler, die mit viel Enthusiasmus und Engagement vorbereitet und durchgeführt wurden, in der ersten Nacht zerstört oder übermalt werden". Die Argumentation, dass diese Aktionen zur Gentrifizierung beitragen würden, findet er "aufgesetzt": "So kann ich prinzipiell jede Kunst-Aktion die mir nicht gefällt zensieren." Sein Appell: "Die Kunst muss frei bleiben!"

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