Bester Blick über Nürnberg: Turmführer haben Hochsaison

25.6.2019, 06:00 Uhr
Ist man die Treppen erstmal oben angekommen, wird man mit einem Blick belohnt, der wirklich einzigartig ist.

© Wolfgang Heilig-Achneck Ist man die Treppen erstmal oben angekommen, wird man mit einem Blick belohnt, der wirklich einzigartig ist.

Aufzüge gibt es allerdings nicht: Der Aufstieg bis hinauf auf 50, 60 Meter Höhe kostet ein wenig Kraft und Schweiß, wird aber reich belohnt. In St. Sebald aktuell zum Beispiel durch den Blick auf die Augustinerhof-Baustelle und das runderneuerte Domizil der Industrie- und Handelskammer.

Turmführer Thorsten Menzel sorgt allerdings mit Pausen dafür, dass den Gästen nicht zu schnell die Puste ausgeht. Auf einer Plattform auf halber Höhe holt er erstmal aus zu einem Streifzug durch die Baugeschichte. Alte Zeichnungen veranschaulichen die Etappen der Entstehung seit der Mitte des 13. Jahrhunderts. Dann wandern die Blicke nach oben: Mitten im Gestein sind dicke Betonriegel zu erkennen. "Die stammen natürlich nicht aus dem Mittelalter", merkt Menzel augenzwinkernd an, "die Anker mussten in jüngerer Zeit zur Stabilisierung angebracht werden".

Während die Türme zumindest in Teilen die verheerenden Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg überstanden, musste der Dachstuhl über Schiff und Chor komplett rekonstruiert werden. Die Baumeister im Mittelalter achteten streng auf Proportionen: Der Dachstuhl ist 44 Meter lang und je 22 Meter breit und hoch, "Schon beeindruckend", meint ein Ehepaar aus Wien.

Endlich geht es weiter aufwärts – vorbei an einer großen Glocke, die mit ihren knapp vier Tonnen heute als einzige im Südturm hängt. "Als sie nach dem Krieg neu gegossen wurde, fanden auch Trümmer alten Verwendung, die zersprungen war", erläutert der Begleiter, der mit seinem Engagement als Kirchenführer an sein Kunstgeschichtsstudium anknüpfen kann. Statt wie früher einmal acht erklingen in St. Sebald aber heute nur noch vier Glocken.

Am Gipfel angekommen

Ganz oben angekommen, drängen die Besucher natürlich hinaus auf den Turmumgang – und genießen mit dem Rundblick das Gefühl, über der Altstadt zu schweben. Thorsten Menzel hat freilich auch hier noch ein paar Erläuterungen parat, zum Beispiel zum Leben der Türmer, die vor allem als Brandwächter in städtischen Diensten wie auch sonst als Beobachter in luftiger Höhe eine Bleibe hatten – seit 1388 sind sie nachgewiesen bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts.

In St. Sebald, Nürnbergs ältester Pfarrkirche, ist allerdings "nur" der Südturm für Begehungen ausgestattet; der Nordturm, den die Besucher "vor der Nase" haben, verfügt stellenweise nur über Leitern und ist daher allein für Handwerker zugänglich. In St. Lorenz ist es umgekehrt – dafür liegt den "Gipfelstürmern" dort vom Nordturm aus die ganze nördliche Altstadt zu Füßen.

In St. Lorenz zieht - neben dem Panorama – vor allem die Aufhängung des Engelsgrußes das meiste Augenmerk auf sich. Dazu die aus drei Instrumenten bestehende Orgelanlage – und wiederum die Glocke. "Denn dazu gehört auch die große, fast 700 Jahre alte Feierglocke, die trotz einer Beschädigung den Krieg überstanden hat", erzählt der Ingenieur Jürgen Rahn, der die Führungen als spannende Ruhestandsaktivität entdeckt hat.

Voranmeldung nötig

Führungen bieten beide Gemeinden nach Voranmeldung für geschlossene Gruppen an. Für Einzelbesucher gibt es folgende Termine: In St. Sebald donnerstags und samstags, jeweils um 16.30 Uhr, in St. Lorenz nur samstags, dafür zweimal, nämlich um 14 und 15.30 Uhr. Besonders beliebt sind die Turmbesteigungen bei Sonderterminen wie dem Bardentreffen oder der Eröffnung des Christkindlesmarkts (in St. Sebald) oder in Vollmondnächten ohne andere Veranstaltungen (St. Lorenz, nächster Termin: 26. August).

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