Bis unter die Decke: St. Martha bekommt neue Orgel

26.5.2019, 15:39 Uhr
Bis unter die Decke: St. Martha bekommt neue Orgel

© Foto: Roland Fengler

Der Neubau einer Orgel ist im Kulturland Deutschland zum seltenen Ereignis geworden. Und wer in diesen Tagen einen Blick in die Marthakirche wirft – vielleicht huscht er mit einem Handwerker hinein, denn offiziell ist geschlossen –, versteht, warum. Vier Männer und eine Frau turnen darin seit Ende April auf Gerüsten, um über Wochen aus Tausenden Einzelteilen ein Möbelstück zusammenzusetzen, das am Ende wunderbarerweise einen Riesenraum mit Musik erfüllt. Angesichts von Sparzwängen und Besucherrückgängen leisten sich nicht mehr viele Kirchen ein kompliziertes Instrument dieser Dimension.

Anders die evangelisch-reformierte Gemeinde St. Martha – sie geriet unfreiwillig in eine Sonderlage. 2014 brannte ihre Kirche an der Königstraße über Nacht nieder. Auch die erst 1990 eingebaute Orgel aus der Schwarzwälder Werkstatt Vier war zerstört. "Unser Ansinnen war es, die Kirche wieder bis zur Decke mit Musik zu füllen", sagt Dieter Krabbe, der Pfarrer. St. Martha eröffnete im vergangenen November das wiederaufgebaute gotische Gotteshaus. Ein Konzertflügel, ein Cembalo und eine Truhenorgel sind schon da. An Pfingsten soll nun die große Kirchenorgel fertig werden.

Bis zur Decke, das gilt wortwörtlich. Neuneinhalb Meter ragt die Orgel auf der Empore in die Höhe. Auf einer kleinen Grundfläche von 13 Quadratmetern muss die Technik etagenweise in dem Gehäuse aus Eichenholz gestapelt werden. "Das ist schon anspruchsvoll", erklärt Jürgen Lutz, der verantwortliche Orgelbaumeister. Schon im Herbst 2017 begann er mit seiner Orgelmanufaktur die Planung. Ist alles montiert, folgt noch die wochenlange Intonation. So heißt das Einstellen und Zuschneiden der Pfeifen für das Gesamtklangbild. "Was der Raum aus dem Klang macht, kann man erst feststellen, wenn alles steht", erläutert Lutz.

2000 Pfeifen und 31 Registert

Die Firma aus Feuchtwangen setzte sich in der Ausschreibung der Gemeinde durch. "Uns war wichtig, dass es ein Unternehmen aus der Region ist, damit wir die Orgel gut warten lassen können", sagt Dieter Krabbe. "Warm und dezent" solle sie klingen. Auf ihrer Begutachtungsreise durch verschiedene Kirchen habe die Lutz-Orgel im Heilsbronner Münster die Experten aus St. Martha begeistert.

Rund 2000 Pfeifen wird das Nürnberger Exemplar haben, zwei Manuale, und mit 31 Registern bietet es etwas mehr Klangfarben als sein verbrannter Vorgänger mit 27. "Für eine Kirche dieser Größe ist diese Orgel vergleichsweise üppig disponiert", sagt Lutz. "Sie kann ein großes Spektrum der Orgelliteratur abdecken." Aus gutem Grund: St. Martha ist seit vielen Jahrzehnten wegen ihrer Akustik eine gefragte Konzertspielstätte und Partner der Nürnberger Musikhochschule. Studenten üben und konzertieren hier an der Orgel.

"Es ist eine Gebrauchskirche", sagt Pfarrer Krabbe, "und sie soll so viel wie möglich benutzt werden." Organisten aus der ganzen Region sollen die neue Orgel gern ausprobieren, kündigt er an. Denn die Investition in das Instrument – den größeren Teil zahlt die Brandschutzversicherung, den Rest die Gemeinde – verbindet er mit dem "Prinzip Hoffnung": darauf, dass die Musik langfristig mehr Menschen in die Kirche lockt. Zum Gottesdienst, aber auch zu wöchentlichen Mittagskonzerten oder jetzt ab Juli wieder jeden Sommer zur Internationalen Orgelwoche ION.

"Wir waren ein Renner"

Nach den fünf Jahren Zwangspause scheint das ganz gut anzulaufen. Als die Marthakirche Anfang Mai bei der Blauen Nacht Alte Musik anbot, kamen 1500 Besucher und hinterließen ordentlich freiwillige Spenden. "Wir waren ein Renner", freut sich Krabbe. Und das noch ohne Orgel.

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