Maulkorb- und Leinenpflicht verletzt

Bissiger Hund bringt Nürnberger Rentnerin ins Gefängnis

16.9.2021, 11:19 Uhr
Immer wieder fiel Gina (ein Schäferhundmischling, der unserem Symbolbild gleicht) Passanten an - doch die Besitzerin ignorierte die Maulkorbpflicht.

© imago images/Panthermedia Immer wieder fiel Gina (ein Schäferhundmischling, der unserem Symbolbild gleicht) Passanten an - doch die Besitzerin ignorierte die Maulkorbpflicht.

Seit Jahren beschäftigen Rentnerin Ingrid R. und deren Hündin Gina die Ordnungsbehörden und die Justiz. Dreimal hatte das Tier schon Menschen verletzt, immer wieder griff Gina auf offener Straße Passanten an. Nach zwei neuerlichen Attacken auf zwei Frauen muss Ingrid R. (68) nun wegen fahrlässiger Körperverletzung ins Gefängnis. Und Hündin Gina lebt mittlerweile auf einem Bauernhof bei Bamberg.

Rückblick: Im Dezember 2016 verhängte bereits das Amtsgericht Schwandorf wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen eine Geldstrafe gegen Ingrid R. (Name geändert). Sie ließ Gina frei laufen, das Tier biss einen Spaziergänger in die Hand und fiel einen Radfahrer an.

Krankenhaus nach Hundebiss

Ingrid R. zog von der Oberpfalz nach Nürnberg, doch ihren Umgang mit dem Hund änderte sie nicht. Im Februar 2019 sprach das Amtsgericht Nürnberg sechs Monate Freiheitsstrafe aus und gewährte Bewährung - diesmal hatte Gina am Nürnberger Schillerplatz einen Spaziergänger verletzt. Ein Vorfall, der belegt, von welcher Seite der Leine die wahre Gefahr ausgeht: Das Urteil hält fest, dass Gina so laut bellte, dass ein Passant nicht wagte, an der Hündin und ihrer Halterin vorbei zu laufen. Er bat die Frau, die Leine kürzer zu fassen. Ingrid R. weigerte sich, Gina biss den Mann in die rechte Wade. Er musste mehrere Tage im Krankenhaus behandelt werden.

Ordnungsamt forderte Maulkorb- und Leinenzwang

Die scharfen Zähne des Tieres waren auch im Ordnungsamt bekannt: Die Stadt Nürnberg schickte damals einen Bescheid an Ingrid R. und verhängte Leinenzwang. Gina durfte auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen nur noch an einer 1,20 Meter kurzen Leine Gassi gehen. Und sie musste einen Maulkorb tragen.

Doch Ingrid R. ficht auch dies nicht an. Am 8. Dezember 2020 ließ sie ihre Hündin in der Grünanlage Bauernwald im Stadtteil Ziegelstein frei laufen - und das Tier jagte eine Studentin. Nun sitzt die 29-Jährige im Zeugenstand und schildert im Landgericht Nürnberg-Fürth grässliche Szenen: Sie habe damals eine Jogging-Runde gedreht und war gegen 10.25 Uhr auf dem Weg zu einer Bäckerei. Als die große, schwarze Hündin auf sie zu rannte, sei ihr sofort klar gewesen, dass sie keine Chance hatte.

Joggerin: "Ich hatte Todesangst"

"Ich hatte Todesangst", erinnert sich die Zeugin und ringt um Fassung. Sie erlitt Bisswunden an ihren Beinen und ihrem Po. Und als sie das Tier abwehren wollte, biss ihr der Hund in den rechten Unterarm. Die Hundehalterin habe ihr nicht geholfen, im Gegenteil. "Sie sagte, ich soll mich nicht so anstellen, ich stehe ja noch!" Die junge Frau ringt um Fassung. Sie hat Narben zurück behalten. Ihr rechter Arm sei bis heute zeitweise taub, sie wage nicht mehr zu joggen und schon der Anblick von Hunden jage ihr mittlerweile Angst ein, schildert sie.


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Eine Entschuldigung? Schmerzensgeld? Fehlanzeige. Erst ein halbes Jahr nach der Attacke sei die Rentnerin bereit gewesen, zumindest die zerrissene Kleidung der Studentin zu bezahlen. Dass Ingrid R. von Reue geplagt wird, will die Zeugin sowieso nicht glauben. Ingrid R. habe eben Angst vor Strafe. Tatsächlich wurde sie im Mai 2021 vom Amtsgericht Nürnberg hinter Gitter geschickt - wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen wurde ein Jahr Gesamtfreiheitsstrafe verhängt.

Nun bittet sie, flankiert von Strafverteidiger Robert Frank Reitzenstein, in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth um Milde.

Sie weint und wimmert. Schon immer habe sie Hunde gehabt, Boxer, Labradore, Schäferhunde. Gina sei im Jahr 2010 bei ihr zu Hause geboren worden. Das Tier sei "eigentlich ein Lamm", doch an jenem Tag habe sie den Maulkorb mit ihren Pfoten selbst abgestreift. "Ich weiß doch auch nicht. Es ist alles so schnell gegangen."

"So ein G´schmarri. Mein Hund beißt nicht!"

Doch am 25. Februar 2021 kam es in Ziegelstein, erneut in der Grünanlage Bauernwald, zur nächsten Bissattacke. Wieder war die Halterin ohne Leine und Gina ohne Maulkorb unterwegs. Diesmal griff Gina eine 73-jährige Spaziergängerin an. "Der Hund rannte mit Karacho auf mich zu", schildert die Frau. "Ich hab´ die Zähne gespürt, durch die Jeans durch." Auch für sie hatte Ingrid R. wenig Mitgefühl. "So ein G`schmarri, mein Hund beißt nicht", soll sie der verletzten Frau entgegen gehalten haben.

Ein "rotzfrecher Auftritt", wie die Richter der Berufskammer am Landgericht heute feststellen, die späteren Entschuldigungsschreiben der Hundehalterin seien "ihr Papier nicht wert". Fast zwei Wochen musste die 73-Jährige täglich zum Arzt und ihren verletzten Oberschenkel immer wieder neu verbinden lassen. "Ich bin froh, dass es noch so gut ausgegangen ist. Ich will kein Schmerzensgeld und ich will ungefragt auch keinen Brief mit einer Entschuldigung von der Dame - ihr Schreiben lag kurz vor der Gerichtsverhandlung in meinem Briefkasten."

Tierarzt wollte Gina nicht einschläfern

Viel bringt die späte Reue nicht: Das Gericht mildert zwar die in erster Instanz verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr auf neun Monate, doch Ingrid R. blüht zusätzlich der Bewährungswiderruf der früheren Strafe - und damit summiert sich die Freiheitsstrafe auf insgesamt 15 Monate.

Sie habe versucht, Gina abzugeben, sagt Ingrid R. - leicht sei dies nicht gewesen. Der Tierarzt weigerte sich, Gina einzuschläfern, das Tierheim nahm die Hündin nicht. Nun lebe das Tier bei einem Bekannten auf einem Bauernhof.

Für den Verteidiger ist dies schon fast die Garantie, dass die Frau auch nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Er plädiert daher für Bewährung, kombiniert mit einem Hundehaltungsverbot und Schmerzensgeld. Der Staatsanwalt zeigte sich vom fahrlässigen Verhalten der Rentnerin schockiert, auch ihre späten Entschuldigungen seien nicht angebracht. Mit Verboten sei der Frau nicht beizukommen: "Sie verstieß doch auch bisher gegen jede Auflage."

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