Blaue Nacht: 130.000 Besucher trotzen dem eisigen Wind

5.5.2014, 08:34 Uhr
Blaue Nacht: 130.000 Besucher trotzen dem eisigen Wind

© Horst Linke

Insgesamt 130.000 besuchten die Blaue Nacht, das sind nur 10.000 weniger als im vergangenen Jahr. Sie kamen nicht nur aus Nürnberg und Umgebung, sondern aus ganz Deutschland, Österreich, den USA – und sogar München. Und es gab heuer sogar mehr früh Entschlossene als sonst: Über 10.000 Menschen erstanden ihre Tickets im Vorverkauf. Von den niedrigen Temperaturen profitieren die Attraktionen, die im Warmen – oder wenigstens windge­schützt – zu sehen sind.

So bilden sich zum Teil lange Schlangen vor den Kir­chen und Museen. Auch die Live-Musik im Hauptbahnhof findet viele Fans, und die Besucher kommen nur zu gern der Aufforderung nach, die Doubles von Marilyn Monroe und Elvis Presley mit ihren Handy-Kame­ras abzulichten, während Elvis von seinen „Blue Suede Shoes“ singt und Marilyn ihr weißes Kleid zurecht zupft und ihren berühmten Schmoll­mund zieht.

Samba-Trommler sorgen für sommerliche Stimmung Etwas schwieriger sind die Voraus­setzungen für alles, was draußen statt­findet. Gerade dem Kulturdreieck Les­singstraße hätte ein wenig sommerli­ches Flair gutgetan. So aber müssen die Samba-Trommler der Gruppe „Confusao“ für die brasilianische Stimmung sorgen.

Das gelingt ihnen so gut, dass so mancher hüftsteifer Franke sich sogar zum Mittanzen hin­reißen lässt. Womöglich ist das Publi­kum aber auch schon durch die all­seits beliebte Kostümversteigerung des Staatstheaters aufgewärmt. Doch alle innere Hitze kann irgend­wann nicht mehr darüber hinwegtäu­schen, dass es mit Einbruch der Dun­kelheit empfindlich kalt wird.

Der Wind fegt durch die Lessingstraße, und die wehenden „4444 Luftballons“ sorgen in Kombination mit der blauen Beleuchtung der Fassaden für eine fast gespenstische Atmosphäre. Jong­leure, Komiker und Akrobaten sorgen zwar dafür, dass die Straßenfeststim­mung trotz des eisigen Windes erhal­ten bleibt, doch zum Sitzen vor der Bühne wird es schnell zu kalt – und so kommen leider nur noch wenige in den Genuss der Arien und Schlager des Internationalen Opernstudios

Klassische Musik gibt es auch an der Hör-Bar: Dort kann man über Kopfhörer verschiedene Stücke von Wagner bis Smetana anhören und mit Edding-Stift die spontanen Assozia­tionen an die Wand schreiben. Beson­ders junge Leute nehmen dieses Ange­bot gern an. Neben Kommentaren wie „Toll“, „dramatisch“ oder „O mein Gott!“ hinterlassen die Hörer auch Launiges wie „Schön, wo ist der Rot­wein dazu?“ oder „Tosca, der Duft bringt mich um“.

Dass jemand seine Oper einmal mit „tighter Shit“ (kras­ser Scheiß) beschreiben und das auch noch als Kompliment meinen würde, hätte Giacomo Puccini sich sicher nicht träumen lassen. In die Lessingstraße hätten wohl auch Wilhelm und Renate Franz gehen sollen. Das Ehepaar vermisst nämlich genau diese Straßenfest-Stim­mung rund um den Hauptmarkt: „Hören Sie doch mal, da hört man ja nur die Menschen, keine Musik.“ In den vergangenen Jahren habe es mehr Live-Musik, Jongleure und Straßen­künstler gegeben. „Es ist auch viel zu wenig blau“, sind sich die beiden einig. „Insgesamt wird immer weniger geboten“, urteilen sie.

Ein Ticket haben sie diesmal nicht gekauft – und hätten somit auch gar nicht das Kul­turdreieck besuchen können. So geht es auch einer Gruppe junger Leute: „Wir kommen jedes Jahr, und jedes Jahr ärgern wir uns wieder dar­über, dass wir kein Bändchen gekauft haben“, sagen sie. Jetzt, um 23 Uhr, wollen sie wohl auch an der Abendkas­se keines mehr kaufen. Doch gelohnt, das wissen sie selbst, hätte es sich. Chinesische Traditionen, Hip-Hop, Kunst und Klassik Es ist die Vielfalt auf engem Raum, die die Blaue Nacht so besonders macht: Da ist der Banhu-Spieler (ein traditionelles chinesisches Streichin­strument) auf der Bühne des CVJM am Kornmarkt.

Einige Schritte weiter in der Straße der Menschenrechte tan­zen Jugendliche vom Ballettförderzen­trum zu Hip-Hop. Im Germanischen Nationalmuseum bestaunen die Besu­cher derweil Kunstwerke, die von Fernweh berichten. Und in der Klara­kirche drängen sich die Menschen zu den Klängen der Studenten und Dozenten von der Berufsfachschule für Musik im Warmen.

Insbesondere zwischen Lorenzkir­che, Hauptmarkt und Burg mag man kaum glauben, dass weniger Men­schen unterwegs sein sollen als in den Jahren zuvor. Hier schieben sich die Massen wie eh und je. Wie gut, dass es nicht so warm ist – das wäre ja sonst kaum zum Aushalten!

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