Bruder will nichts von einem Auftragsmord wissen

20.1.2020, 20:04 Uhr
Ein junger Mann trifft zum Verhandlungsbeginn im Sitzungssaal im Oberlandesgericht Nürnberg ein. Der 24-Jährige soll einen Auftragsmörder angeheuert haben, der seine 16-jährige Schwester töten sollte, weil sie eine Zwangsheirat verweigert hatte.

© Daniel Karmann, dpa Ein junger Mann trifft zum Verhandlungsbeginn im Sitzungssaal im Oberlandesgericht Nürnberg ein. Der 24-Jährige soll einen Auftragsmörder angeheuert haben, der seine 16-jährige Schwester töten sollte, weil sie eine Zwangsheirat verweigert hatte.

Gleich eine ganze Prozessserie beschäftigt sich derzeit mit einer abgesagten Hochzeit. Im Mittelpunkt: Mira. Das Mädchen – das wie alle Betroffenen im Text eigentlich anders heißt –hätte im Sommer vergangenen Jahres heiraten sollen. Nach der Verlobung änderte das 16 Jahre alte Mädchen seine Meinung. Ohne Konsequenzen blieb das nicht. Vom Vater soll es dafür Schläge gehagelt haben. Gegen ihn und die Mutter läuft derzeit ein Verfahren vor dem Jugendschöffengericht. Der Verlobte wurde bereits im Dezember wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Seit Donnerstag verhandelt die Jugendkammer des Landgerichts gegen Hasan, den Bruder des Mädchens. Die Vorwürfe wiegen schwer: So soll der 24-Jährige seine Schwester nicht nur geschlagen, sondern auch noch einen Auftragskiller angeheuert haben.

Bruder gibt Schlag zu

Den Schlag mit der flachen Hand gibt der Angeklagte zu – Mira habe zuvor auf dem Volksfest mit einem Fremden geflirtet, so etwas tue man als Verlobte nicht. Einen Killer will der junge Mann aber nicht engagiert haben. Über seinen Anwalt Bahattin Koyun lässt er am Montag erklären, er habe sich Sorgen um seine Schwester gemacht. Das Mädchen habe sich nach der Verlobung verändert. Mira sei respektlos geworden, habe Lügen erzählt und angefangen zu rauchen. Als er dann auch noch Marihuana bei Mira gefunden habe und eine Freundin des Mädchens erzählte, dass die Drogen von einem Dealer am Hauptbahnhof stammen, habe er sich auf die Suche nach dem Mann – einen "glatzköpfigen Araber" – gemacht.

Die Anklage wirft dem 24-Jährigen vor, einen Killer auf seine Schwester angesetzt zu haben. Der Angeklagte streitet den Vorwurf ab.

Die Anklage wirft dem 24-Jährigen vor, einen Killer auf seine Schwester angesetzt zu haben. Der Angeklagte streitet den Vorwurf ab. © Foto: Daniel Karmann/dpa

Hasan will sich in der Szene durchgefragt haben – und landete schließlich bei Tarek, der Libanese passte zur Beschreibung. Dem 37-Jährigen will Hasan gedroht haben, dass er ihn bei der Polizei verpfeife, wenn dieser noch einmal Drogen an Minderjährige verkauft. Einige Tage später will der 24-Jährige seine Schwester mit einem Joint erwischt haben. Er sei wieder zu Tarek gegangen und habe diesem ein Foto seiner Schwester gezeigt. "Bruder, ich hätte nie an sie verkauft, wenn ich gewusst hätte, dass das deine Schwester ist", soll Tarek daraufhin zu Hasan gesagt haben.

"Wir sind hier nicht im Irak oder in Syrien"

Tarek hat jedoch ganz andere Erinnerungen an die beiden Treffen. Hasan habe ihn am Hauptbahnhof angesprochen – ob er jemanden kennt, der eine Frau umbringen kann, eine Frau mache ihm Kopfschmerzen. "Das ist ja nicht normal", so Tarek, "da müsste ja jeder Mann seine Frau umbringen, wenn sie ihm Kopfschmerzen macht." Überhaupt: Er lebe schon seit 30 Jahren in Deutschland, so etwas habe er ja noch nie gehört. "Wir sind hier nicht im Irak, in Syrien oder im Libanon, wir sind in Deutschland", sagt er. Für ihn war klar: Er muss das Mädchen retten. Also geht er zum Schein auf das Angebot ein. "Ja okay, ist kein Problem", will er gesagt und 50 000 Euro gefordert haben. Weil Hasan aber nicht so viel Geld bezahlen wollte, einigte man sich auf 1500 Euro.

Direkt nach dem ersten Treffen marschiert Tarek zur Polizei. Als es ein paar Tage später zu einem zweiten Treffen kommt, soll Hasan gegenüber Tarek einen zweiten Mordinteressenten erwähnt haben. "Er wollte sich gleich mit dem zweiten Killer treffen und dann wieder mit mir sprechen", sagt Tarek. Der 37-Jährige will es mit der Angst zu tun bekommen haben. Was, wenn der zweite Killer seinen Auftrag tatsächlich ausführt? Tarek wendet sich erneut an die Beamten. Die Ermittler suchen Mira, bringen das Mädchen in Sicherheit. Für Hasan klicken an dem Tag im Juni vergangenen Jahres die Handschellen. Seitdem wartet er in Untersuchungshaft auf seinen Prozess.

"Ich wollte das Mädchen retten"

Dabei geht es auch um die Frage, wie weit die Verhandlungen um den Mord überhaupt schon gediehen sind. So hatten Tarek und Hasan etwa die Zahlungsmodalitäten für den Auftragsmord noch gar nicht genauer ausgemacht. Wann sollte es wo Geld geben? "Das hat mich nicht interessiert, ich wollte das Mädchen retten", sagt Tarek. Fakt ist: Hasan hatte bei seiner Festnahme 600 Euro einstecken. Laut seinem Anwalt soll das Geld nicht für einen Killer gedacht gewesen sein, vielmehr wollte er einem Kumpel bei dessen Mietkaution helfen. Überhaupt: Wo hätte Tarek Mira töten sollen? "Die Straße hat mit ,A‘ angefangen", so der 37-Jährige, der den gewünschten Tatort damals am Handy gesucht hat, sich jetzt aber nicht mehr genau daran erinnern kann.

Ebenso unklar: War der Mord bereits eine abgemachte Sache? Oder hätte das Geschäft erst bei einem dritten Treffen später am Tag genau in Auftrag gegeben werden sollen.

Anwalt Nils Junge, der ebenfalls den Angeklagten vertritt, will von Tarek wissen, ob er sich von seiner Aussage möglicherweise erhofft, seinen Aufenthalt in Deutschland zu verlängern – Tarek wird hier nur geduldet, jeden Monat wird neu über seinen Aufenthalt entschieden. Käme ihm eine Retter-Geschichte da nicht recht? "Ich hab nicht einmal für eine Minute darüber nachgedacht", sagt Tarek.


Hier geht es zu allen aktuellen Polizeimeldungen.