Callcenter fühlen sich vom Gesetzgeber gegängelt

7.11.2012, 12:00 Uhr
Callcenter fühlen sich vom Gesetzgeber gegängelt

„Je mehr Regeln, desto mehr Verstöße. Die Gesetze verkomplizieren uns das Leben“, sagt der Präsident des Callcenter-Verbandes, Manfred Stockmann. Für ihn steht fest: „Ein Türverkäufer hat mehr Rechte als ein Kundencenter.“

Callcenter fühlen sich vom Gesetzgeber gegängelt

© Roland Fengler

Zum Beispiel die Neuerung, dass die ersten zwei Minuten in der Warteschleife eines Anbieters bei den 0180er- und 0900er-Servicenummern kostenlos sein müssen. Stockmann nennt die Vorschrift aus der Novelle des Telekommunikationsgesetzes unausgegoren. Wer etwa eine solche Servicenummer vom Handy aus anruft, müsse weitergeleitet werden, da der Provider die Freiminuten in der Warteschleife nicht abrechnen könne. „Dafür fehlt die technische Basis bei den Abrechnungssystemen.“

Netzagentur: genug Vorlauf

Callcenter fühlen sich vom Gesetzgeber gegängelt

Die Bundesnetzagentur hat kein Verständnis dafür, dass die Branche und ihre Lieferanten noch nicht bereit sind für die Novelle im Verbraucherschutz. Diese hatte einen Vorlauf von mehreren Jahren mit langen Konsultationen, sagt ein Behördensprecher. Ursprünglich sollten die Regelungen schon im Frühjahr in Kraft treten, dann erhielten die Firmen einen Aufschub bis Herbst. Obendrein gibt es die Übergangsfrist bis Juni 2013. Danach aber wird es ernst: „Die Anbieter haben sich an das Gesetz zu halten. Verstöße werden von uns geahndet“, warnt der Sprecher.

Aus der Sicht des Verbandschefs bringt das Gesetz aber auch für den Verbraucher Ungemach. Er mutmaßt: „Wir werden amerikanische Verhältnisse bekommen mit Warteschleifen, die sich über zehn bis 15 Minuten hinziehen.“ Als Gegenbeispiel nennt er das Kundencenter von CortalConsors, wo 80 Prozent aller Kundenkontakte innerhalb von 20 Sekunden angenommen werden. Ferner ist der Anruf beim Nürnberger Finanzdienstleister seit einem Jahr kostenfrei.

Telekom stellte um

Die Deutsche Telekom hat sich erst kürzlich umgestellt. Unternehmenssprecher Udo Harbers sagt: „Es ist richtig, dass eine technische Umsetzung der Gesetzesvorgabe zum 1. September nicht möglich war.“ Daher habe sich die Telekom dazu entschlossen, alle Service-Hotlines, die nicht ohnehin schon kostenlos sind, auf die Gratis-Nummern umzustellen.

Die ständigen Eingriffe zum Verbraucherschutz setzten der gebeutelten Callcenter-Branche laut Stockmann zusätzlich zu. Sie leide bereits seit zehn Jahren unter einem heftigen Preiskampf. Wer mit einer Firma neu an den Markt komme, müsse viel Geld mitbringen, verdient werde mit dem Geschäft wenig zu den schlechten Konditionen im Dienstleistungssektor. Kein Wunder, dass die Umsätze und Mitarbeiterzahlen gesunken seien. Zusätzlich sei zu spüren, dass Unternehmen ihre Kundenbetreuung wieder ins Unternehmen zurückholen. Das negative Image der Branche führe ferner dazu, dass Mitarbeiter schwer zu bekommen seien.

Das Verbot der „Kaltakquise“, das heißt Anrufe von Callcenter-Agenten bei Menschen, die damit nicht einverstanden sind, sei gegenüber anderen Neuerungen nebensächlich. Klagen gebe es im Übrigen kaum: Auf 6,3 Milliarden Telefonkontakte mit Callcentern in Deutschland im Jahr 2011 kamen laut Stockmann 30000 Beschwerden bei der Bundesnetzagentur. „Der Anteil liegt im Promillebereich.“ Und selbst bei diesen relativ wenigen Beschwerden lägen die Kunden bisweilen falsch: „Leider ist vielen Leute nicht bewusst, in welchen Zusammenhängen sie sogar aktiv ihre Einwilligung gegeben haben.“

Im Übrigen seien die Serviceanrufe oft ja durchaus ganz nützlich für Bürger, die sich im Dschungel der unterschiedlichen Merkmale und Preise von Produkten leicht verirren, meint Stockmann. Noch nützlicher sei es, wenn der Verkäufer am Telefon zielgruppengenau vorgeht. „Stellen Sie sich vor, Ihnen wird ein Rasenmäher angeboten, und Sie haben gar keinen Garten. Da würden Sie sich doch wundern.“ Da stutzt der Zuhörer, der sich noch mehr wundert, wie ein Callcenter überhaupt über seinen Garten Bescheid wissen kann. Womöglich noch mit Adresse und Zahl der Hausbewohner? Doch aus Stockmanns Sicht wiegt der Nutzen solcher Kenntnisse für den Verbraucher schwerer als der Datenschutz. Apropos Datenschutz: Als Nächstes hat sich der Gesetzgeber vorgenommen, so Stockmann, dass keine Gespräche zwischen Agenten und Kunden mehr mitgehört werden dürfen. „Damit ist die Qualitätskontrolle im Callcenter tot.“

Die Verbraucherzentrale Bundesverband versteht die Kritik des Chefs des Callcenter-Verbands nicht. „Nicht nur aus Sicht der Verbraucherorganisationen, sondern auch des Gesetzgebers war eine Lösung des leidigen Problems teils teurer telefonischer Warteschleifen überfällig“, erklärt eine Expertin. Dass es speziell bei Handyanrufen zu Problemen komme, liege an den Handynetzbetreibern, die ihre Preissetzungshoheit für die Dienste über ihre Netze nicht aufgeben wollten. Im Übrigen sei keine Firma gezwungen, für den Service eine 0180er- oder 0900er Rufnummer einzusetzen. „Im Gegenteil, noch kundenfreundlicher wäre es, wenn verstärkt Gratis-Nummern eingesetzt würden.“

 

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