Corona-Hotspot: Wie gelangt das Virus in Pflegeheime?

13.1.2021, 05:45 Uhr
Mit Plastikvorhängen versucht man in den Altenheimen, wie hier in Italien, die Bewohner vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus durch Besucher zu schützen.

© Marco Alpozzi, dpa Mit Plastikvorhängen versucht man in den Altenheimen, wie hier in Italien, die Bewohner vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus durch Besucher zu schützen.

Die Situation in den Nürnberger Heimen habe sich im Vergleich zur vergangenen Woche zwar stabilisiert, sei jedoch weiterhin ernst, berichtet die Gesundheitsreferentin Britta Walthelm. Derzeit seien 652 Bewohner (Stand 12. Januar) infiziert, statistisch gesehen gebe es in zwei von drei Nürnberger Heimen nachgewiesene Coronafälle. Die insgesamt 56 Pflegeeinrichtungen hätten aufgrund verschiedener Träger zwar unterschiedliche Hygienekonzepte, aber jedes Haus versuche seine Bewohner so gut es geht zu schützen, beteuert die Referentin für Soziales, Elisabeth Ries.

"Wir haben alle Register im Bereich Hygiene gezogen", bestätigt auch Michael Pflügner, zweiter Werkleiter des NürnbergStift. Arbeiten mit FFP2 Masken, Handschuhen und Schutzkitteln sei Standard. Die meisten Mitarbeiter in den Heimen würden zudem zweimal die Woche getestet, wie Sozialreferentin Ries sagt. Eine gute Vorbereitung auf den Ernstfall sei zudem besonders wichtig, da ansonsten wertvolle Reaktionszeit verloren gehe, so Pflügner.

Nach Bekanntwerden einer Infektion müssten die Heime dem Virus zunächst hinterherrennen. "Bis ein Bewohner erste Symptome entwickelt, bestanden seit der Infektion mehrere Kontakte", schildert ein Einrichtungsleiter aus dem Nürnberger Land, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sein Seniorenzentrum war bereits betroffen.

Personal als Überträger?

Ob das Virus durch Besucher oder das Pflegepersonal in ein Heim gelangt, könne niemand der Befragten mit Sicherheit sagen. Auch Bewohner, die noch selbstständig zum Einkaufen gehen, seien potentielle Überträger, bestätigt Pflügner vom NürnbergStift: "Natürlich ist es ein Risiko, dass Bewohner nach draußen gehen, aber wir können die Menschen ja nicht einsperren."


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Sowohl Pflügner als auch die Gesundheitsreferentin Walthelm haben die Vermutung, dass sich das Virus über die Pflegekräfte den Weg ins Heim bahnt. "Pflege ist immer mit Körperkontakt verbunden und die körperliche Nähe ist bei der Übertragung entscheidend", so Walthelm. Um das Risiko einer Ansteckung außerhalb der Einrichtungen zu minimieren, müsste das Personal isoliert leben. Doch das sei natürlich nicht umsetzbar, so die Gesundheitsreferentin. Die regelmäßigen Tests seien daher umso wichtiger – aber eben keine Garantie.

Infiziertes Personal stellt die Heime zudem vor ein weiteres Problem. In Nürnberg sind 115 Pflegekräfte mit Corona infiziert (Stand 12. Januar). Diese können nicht arbeiten und zusätzlich fallen Beschäftigte, die als Kontaktpersonen eingestuft wurden, ebenfalls aus, verdeutlicht Sozialreferentin Ries die Lage. Im Haus des Einrichtungsleiters aus dem Nürnberger Land sei man daher folgendermaßen verfahren: Pflegekräfte, die als Kontaktperson eingestuft wurden, deren Corona-Test jedoch negativ war, haben sich nur noch um die infizierten Bewohner gekümmert. Infektionsketten seien dadurch gebrochen worden.

Ob der generelle Personalnotstand in der Pflege dazu geführt haben könnte, dass Hygienemaßnahmen nicht zu 100 Prozent eingehalten wurden, hält der Heimleiter für unwahrscheinlich. "Wir sind wegen Corona noch mehr sensibilisiert. Allein während des Ausbruchs haben wir doppelt so viel Desinfektionsmittel benötigt als sonst." Auch die Bewohner des Seniorenzentrums hätten Verständnis gehabt, dass das Personal weniger Zeit für den individuellen Kontakt hatte.

Hoffnungsschimmer Impfstoff

Die Referentinnen und Michael Pflügner setzen große Hoffnung in den Impfstoff. "Die Heime haben oberste Priorität, aber derzeit stecken wir tief in der Mangelverwaltung. Alles, was an Impfstoff geliefert wird, wird mithilfe der mobilen Impfteams verimpft", so die Sozialreferentin Ries.


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In den Nürnberger Heimen habe man bereits 2000 Impfungen durchgeführt, berichtet Gesundheitsreferentin Walthelm. Angestrebt seien 10.000, davon fielen 2400 auf das Pflegepersonal. Wie hoch die Bereitschaft unter den Bewohnern und dem Personal jedoch wirklich ist, wisse man erst, wenn alle Impfwilligen ihre Spritze erhalten haben, so Ries.

Die Sehnsucht nach Normalität ist groß in den Heimen und könnte für viele der Antrieb sein, sich impfen zu lassen. Mit der Impfung hoffe man, so Ries, dass Zug um Zug Normalität in die Einrichtungen. Denn das Miteinander, was das Leben dort prägt, ist durch Corona stark eingeschränkt.

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