Corona-Krise im ÖPNV: Betriebe müssen Experimente wagen

7.10.2020, 13:48 Uhr
Corona-Krise im ÖPNV: Betriebe müssen Experimente wagen

© Claus Felix

Wir wissen nicht, wie das Mobilitätsverhalten der Menschen in fünf Jahren sein wird. Corona hat gezeigt, dass viele Annahmen, Analysen und Konzepte ganz schnell keine belastbaren Grundlagen mehr für Entscheidungen sind, weil sich das Verhalten der Menschen verändert hat oder verändern musste: Um desaströse 75 Prozent sind die Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen der VAG eingebrochen. Sie werden sicher wieder ansteigen.

Doch ob die alten Werte schnell wieder erreicht werden können, ist eher zu bezweifeln. Wenn Mobilitätsforscher Harald Kipke recht behält, dann werden etwa durch die Zunahme von Homeoffice, die Mobilitätsraten sinken. Es wird weniger Dienstfahrten geben, weil der Meinungsaustausch digital stattfindet. Das hat Folgen für den ÖPNV wie auch für den Autoverkehr in der Stadt. Laut Kipke werden wieder mehr Menschen aufs Land ziehen, weil sie ihre Arbeit auch über das Netz erledigen können.


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Verkehrsplaner müssen das berücksichtigen. Auf der anderen Seite wird sich an der auf allen Ebenen ausgerufenen Verkehrswende, wohl nur wenig ändern. Es sollen mehr Menschen auf Busse und Bahnen umsteigen, sie sollen ihre Autos stehen lassen. Was also tun, damit die langfristige Strategie zum aktuellen Verhalten passt?

Das Mobilitätsverhalten wird nicht nur durch die eigenen Vorlieben gesteuert. Wichtig sind auch gute Angebote: schnelle Verbindungen und günstige Ticketpreise. Manche Städte setzen auch auf Zwang: Hohe Parkgebühren bremsen den Zustrom von Autos. Kann sich das aber eine Tourismus- und Einkaufsstadt wie Nürnberg leisten? Wien kann das, weil die Strahlkraft der österreichischen Hauptstadt groß ist. Nürnberg kann das eher nicht, weil dann die Gäste wegbleiben.

80 Millionen Euro Zuschuss

Das Angebot sollte aber auch der Nachfrage entsprechen. Es nutzt nichts, teuer subventionierte Kapazitäten im ÖPNV-Bereich aufzubauen, wenn sie nicht gebraucht werden. Die Stadt Nürnberg überweist 2021 der VAG 80 Millionen Euro, weil das Defizit wieder stark ansteigt. Für das Geld könnte die Stadt auch zehn Kindertagesstätten bauen.


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Die Lösung ist, dass man mehr ausprobiert, um herauszubekommen, was nachgefragt wird. Wie bei Pop-up-Radwegen, die dann auch mal an der falschen Stelle vorübergehend angelegt werden. Die VAG sollte auf einzelnen Streckenabschnitten mehr Busse fahren lassen, dann sieht sie, ob die Nachfrage steigt. Sie kann auch einmal einen Flächenversuch machen und denen, die viel fahren, einen Rabatt einräumen. Die Ankündigung, in zwei Jahren die Abo-Preise zu senken, genügt nicht.

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