Corona-Schließungen: Nürnbergs Clubs bangen um Existenz

12.3.2020, 17:15 Uhr
Die Tanzflächen in Nürnberg und der Region könnten wegen des Coronavirus bald leer bleiben.

© dpa/Sophia Kembowski Die Tanzflächen in Nürnberg und der Region könnten wegen des Coronavirus bald leer bleiben.

Das Nachtleben gehört zu einer lebendigen Großstadt. Tausende strömen Wochenende für Wochenende in Nürnbergs Clubs, tanzen, trinken, feiern. Wegen des Coronavirus könnten in den Discotheken aber bald die Lichter ausgehen. Zumindest vorrübergehend. Erst am Mittwoch verschärfte Nürnberg abermals seine Verbote - künftig sind auch Veranstaltungen untersagt, zu denen mehr als 500 Menschen kommen könnten. Dass auch Partys gestrichen werden, hält Siegfrid Zelnhefer vom Presseamt der Stadt Nürnberg für möglich. Die Prüfungen laufen.

Evangelos Koliousis (links), hier mit Fußballstar Dante, sagt: "Wir brauchen Luft zum Atmen."

Evangelos Koliousis (links), hier mit Fußballstar Dante, sagt: "Wir brauchen Luft zum Atmen." © Michael Matejka

 "Wir haben aktuell noch keine Untersagung bekommen", sagt Evangelos Koliousis. "Aber ich bin ganz ehrlich, ich denke, lange wird es nicht mehr dauern." Koliousis betreibt das "Hinz X Kunz" am Marientorgraben - ein beliebter Innenstadt-Club, in den mühelos mehrere Hundert Menschen passen. Er hält das Vorgehen der Stadt zwar für richtig, wenn der Betrieb in seiner Discothek aber mehrere Wochen ruhen müsste, wäre das "ein Genickbruch", sagt der Gastronom. "Das hält man nicht lange durch."

Mietkosten von bis zu 60 Euro pro Quadratmeter

Geld, sagt Koliousis, fließt so oder so. Mieten in den Lagen 1A, 1B oder 1C - also die begehrtesten in der Stadt - kosten zwischen 25 und 60 Euro pro Quadratmeter. "Mal mehr, mal weniger", sagt der "Hinz X Kunz"-Betreiber. "Bei 200 bis 1000 Quadratmeter kann sich jeder selbst ausrechnen, was das kostet." Dazu kommen die Löhne, die Sozialversicherungsbeiträge und fixe Zuliefererverträge. "Fixkosten heißen nicht umsonst Fixkosten, die bleiben auch bei einer Pandemie fix." 

Das Coronavirus hat Bayerns Wirtschaft im Griff. Hoteliers und Restaurants brechen die Tourismus-Einnahmen weg, Veranstalter klagen über Absagen, überall herrscht Krisenstimmung. In Berlin und München veröffentlichten Club-Betreiber Brandbriefe - wegen der Corona-Angst bleiben Nachtschwärmer immer häufiger zuhause. Sollte es jetzt zu mehrwöchigen Zwangsschließungen kommen, stehen viele Discotheken vor dem Aus, warnen sie. In Nürnberg ist die Lage entspannter, noch zumindest. "Alles, was regional ist und ein Nürnberger Publikum anspricht, funktioniert weiter", sagt Koliousis, der aber auch all seine Open-Air-Veranstaltungen für das Frühjahr absagen musste. Zu groß sei das Risiko im Fall der Fälle. "Es ist ja auch kein Ende absehbar, US-Studien sagen etwa, dass das Virus den Sommer übersteht." Spätestens dann geht es auch in Nürnberg ums nackte Überleben. 

"Mach1" sagt: "Wir unterstützen Eindämmungspolitik der Stadt"

Auch andere Nürnberger Club-Betreiber können nur warten. "Am Wochenende haben wir normal geöffnet", teilt das "Mach1", eine andere große Innenstadt-Discothek, auf Nachfrage mit. "Wir stehen aber natürlich in ständigem Austausch mit den Behörden und werden alles dafür tun die Eindämmungspolitik der Stadt zu unterstützen und alle entsprechenden Hygiene-Vorschriften einhalten."

Auch Koliousis vom "Hinz X Kunz" unterstützt die Behörden. Auch er habe die Maßnahmen erst für übertrieben gehalten, "wahrscheinlich weil wir kein Risikopublikum, sondern Mittzwanziger bedienen". In Italien habe man aber schon das Gefühl, dass die Behörden dort gefühlt einen Tag zu spät gehandelt haben - deshalb sei das Vorgehen in Nürnberg richtig, sagt der Gastronom. Er wünscht sich jetzt Unterstützung von der Stadt, der Politik, der Bundesregierung. "Sie müssen uns unter die Arme greifen." 


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"Wir sind in Kontakt mit der Dehoga", sagt Koliousis. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband vertritt gut 65.000 Gaststätten-Betreiber - und fordert seit Jahren eine einheitliche Mehrwertsteuer von sieben anstatt der bislang 19 Prozent. "Das wäre eine gewisse Erleichterung, die akut natürlich nichts bringt, aber dann hätten wir eine Aussicht auf Erholung." Auch anderswo könnte die Politik ansetzen, sagt Koliousis, der Steuerstundungen, Erlasse und Kurzarbeit ins Spiel bringt. 

Kommt ein millardenschwerer "Deutschlandfonds"?

Derzeit berät die Politik über kurzfristige Möglichkeiten, gerade kleinere und mittelständische Unternehmen zu unterstützen. Zuletzt forderte etwa Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann einen millardenschweren "Deutschlandfonds" wegen der Corona-Krise. Er solle die Liquidität sicherstellen. Auch die Stadt Nürnberg ist in Verhandlungen mit diversen Institutionen. "Wir wollen, dass die Hilfen vor allem bei den kleineren und mittleren Unternehmen ankommen", sagte Nürnbergs Wirtschaftsreferent Michael Fraas am Donnerstag. "Ziel ist die Sicherung von Beschäftigung hier in unserer Städteachse."

Eben weil das Coronavirus die gesamte Wirtschaft erfasst, ist das Problem für Nürnbergs Clubs aber komplexer. "Was ist, wenn die Lieferkette schwächelt?", fragt Koliousis vom "Hinz X Kunz", der bereits an einem Krisentreffen für Nürnbergs Gastronomen feilt. "Wenn wir keine Getränke mehr bekommen, dann ist es egal, ob wir öffnen dürfen - dann können wir es einfach nicht mehr", sagt er. "Das Coronavirus greift von allen Seiten an."

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