Darum fahren Menschen im Winter mit dem Rad zur Arbeit

17.1.2021, 06:00 Uhr
Darum fahren Menschen im Winter mit dem Rad zur Arbeit

© Foto: Michael Matejka

Eine andere Liga: die Schar der seit dem Corona-Biest neu hinzugekommenen Rennradfahrer, die im Sommer verbissen ihre Kalchreuth-Runde dreht. Und im Vergleich dazu Begegnungen mit denen ohne "Renn", die im Schneetreiben am Wöhrder See entlangrollen: Man lächelt sich an. Was kann erwärmender sein? Okay, der Preis, den wir dafür bezahlen, ist eine mützenbedingt windschiefe Frisur im Büro und dreckige Schuhe.

Aber diesen Schönheitsabschlag nehme ich gerne in Kauf, muss ich doch dafür nicht schwer vermummt an der Haltestelle bibbern oder als Autofahrer im Abgasnebel auf Grün warten, während ich selbst solchen Dunst fabriziere. Ach ja, und nennen wir es ruhig einen Gesundheitstipp: Bei Glatteis vor der Kurve freiwillig abzusteigen, mag zwar uncool sein. Aber es ist immer noch cooler, als in der Kurve unfreiwillig. Erfahrung macht schlau. - Christian Mückl

Die Ehrfurcht der Kollegen steigt, je tiefer das Thermometer sinkt. Dabei ist Kälte gar kein Kriterium, nach einiger Zeit Strampeln wird einem immer warm. Zu starker Regen, zu dichter Schnee, zu dickes Eis, in das gefährliche Fahrrinnen gefroren sind – nur das ist es, was mich davon abhalten kann, aufs Rad zu steigen.

Ansonsten kann es kaum etwas Schöneres geben, finde ich. Beim Fahrradfahren fühle ich mich mit der Natur und dem echten Leben verbunden. Ich spüre und akzeptiere jedes Wetter, die Kilometer schaffe ich aus eigener Muskelkraft. Die Radelzeit ins Büro oder nach Hause erdet mich, Stress und Grüblereien versickern in der Monotonie der Bewegung. Im Büro angekommen, ziehe ich die sauberen Schuhe an, die dort im Schrank auf mich warten. Ist
die Arbeit getan, schlüpfe ich wieder in die Stiefel. Sie sind warm gefüttert und schmutzig. Ein herrlicher Anblick! - Ngoc Nguyen

Darum fahren Menschen im Winter mit dem Rad zur Arbeit

© Foto: Ngoc Nguyen

Warum laufen, wenn ich mit dem Fahrrad fahren kann? Mein Lebensmotto, das auch für kalte Jahreszeiten und bei Schnee gilt. Ich laufe nicht gerne. Selbst im Winter ist es schön, mit dem Zweirad voranzukommen. Es ist besser, als zu Fuß durch die Matschepampe zu schlurchen. Ich erreiche auch schneller mein Ziel. Es lebe das Fahrrad! Sicher, es ist kalt und bisweilen gefährlich. Vor allem dann, wenn sich Glatteis unter frischem Schnee versteckt.

Es liegt zwar schon einige Jahre zurück, aber in der Erinnerung glänzen die Erfahrungen noch immer: Wenn es frisch geschneit hat, mit dem Motorrad auf Landstraßen in der Region durch den stillen nächtlichen Wald zu tuckern, war wunderbar. Man lernt dabei auch, auf glatten Wegen mit einem Zweirad das Gleichgewicht zu halten. Was später auf dem Fahrrad im Winter von Vorteil war. Kälteempfindlich darf man natürlich nicht sein. Das Motorrad und die jugendlichen Schwärmereien sind inzwischen Geschichte. Fahrradfahren ist fast noch schöner, denn es lädt schon bei den ersten Schneeflocken zum Träumen ein. - André Fischer

"Fahren‘S schön vorsichtig", ruft mir der Nachbar am Morgen freundlich zu, während ich in der verschneiten, vereisten Seitenstraße langsam losfahre. Mache ich natürlich, schließlich will ich mit heilen Knochen im Büro ankommen. Ich bin ein 365-Tage-Radler, egal ob es regnet oder schneit. Es ist mir über die Jahre zur festen Gewohnheit geworden. Man hat sich morgens schon 20 Minuten abgestrampelt und kommt hellwach am Arbeitsplatz an – ohne Kaffee. Und abends fällt mit dem Treten in die Pedale der Stress des Tages allmählich ab. Die Seele wird also ausgelüftet – und die Lunge auch. Eine gesunde Angelegenheit also, wenn man jetzt nicht stürzt. Und da ist defensives, aufmerksames Radeln wichtig. Genau hinschauen, wie der Untergrund ist. Sich mit Fingerspitzengefühl bewegen, auch wenn man die Fingerspitzen in den Handschuhen bei Minusgraden gelegentlich kaum spürt. - Hartmut Voigt


Pop-up-Radweg in Nürnberg kommt schlecht an


Schnee, Regen, Kälte: Da bleibt mein Drahtesel mittlerweile im Schuppen und ich steige auf Bus und Bahn um. Das war nicht immer so. Früher wohnte ich in der Stadt und nahm bei jeder Witterung das Rad für einen schnellen Ritt ins Büro, zum Sport oder zum Einkaufen. Mittlerweile wohne ich aber fast 20 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Im Sommer ist der Weg vom Land in die Stadt herrlich: Fast eine Stunde düst man durch den Reichswald und Grünanlagen. Und auf dem Heimweg, auf dem es immer leicht bergauf geht, bekommt man den Kopf frei und tut etwas für seine Fitness.

Versuche, auch im Winter weiterzuradeln, habe ich nach einigen Stürzen und völliger Verschlammung von Rad und Kleidung aufgegeben. Zu meinem Wohnort führt leider kein Radweg. Die enge Landstraße sollte man auf zwei Rädern nur befahren, wenn man absolut lebensmüde ist. An Tempo 100 und Abstandsregeln hält sich dort nämlich selten ein Autofahrer. Und der im Sommer so schöne Wald ist bei Dunkelheit auch keine gute Alternative: Die Waldarbeiter sind fleißig und transportieren emsig Holz ab. Leider hinterlassen Harvester und anderes schweres Gerät oft Schlammrillen und Schlaglöcher. Und falls man nicht im Morast feststeckt, rennt garantiert ein Wildschwein vor den Lenker. Ich bekenne, ich bin eine Schönwetter-Radlerin... - Clara Grau

Darum fahren Menschen im Winter mit dem Rad zur Arbeit

© Foto: Christian Mückl

Ich bin eine Spaziergängerin, ich liebe diese Art, mich fortzubewegen. Das Schöne daran, die Gemächlichkeit, wird aber zum Nachteil, wenn die Zeit knapp ist. Wenn ich zu Fuß zur Arbeit gehe, brauche ich 40 Minuten, mit dem Rad sind es 15. So schnell bin ich nicht mal mit dem Auto.

Mein Rad-Fuß-Weg zum Büro führt an der Pegnitz entlang. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat man dort oft das Gefühl, sich freitags auf der A 9 Richtung Berlin zu befinden. Aber: Nicht morgens um halb neun und nicht im Winter. Das kommt mir sehr gelegen, ich bin zwar im Hochsommer geboren, aber der Winter ist meine Jahreszeit. Ich mag die Kälte, den Frost, den Anblick der eingefrorenen Natur. Vielleicht weil ich einen Teil meiner Jugend im Fichtelgebirge verbracht habe, das gerne als Bayrisch-Sibirien bezeichnet wird. Ich erinnere mich an Berge von Schnee, monatelang. Wir stapften nach der Schule tapfer den Berg hinauf nach Hause. Nach dem Schwimmtraining gefroren uns die Haarspitzen, die aus der Mütze schauten. Jugend halt. Wenn ich morgens auf dem Fahrrad sitze, habe ich das Gefühl, richtig durchatmen zu können. Die Kälte macht mich auf eine angenehme Weise wach. Und wenn es mal zu glatt ist, schieb’ ich mein Rad ein Stück, das habe ich meiner Familie versprochen. - Gabi Eisenack

Darum fahren Menschen im Winter mit dem Rad zur Arbeit

© Foto: Christian Mückl

Als erstens Sport, zweitens Kälte und drittens Mützen verabscheuende Natur bin ich eine absolute Zweckradlerin. Meine Radln haben selten mehr als drei Gänge, dafür vom Umfallen demolierte Körbe mit zu entsorgendem Altglas drin und andere klappernde Organe. Die Strecke, die ich darauf zurücklege, muss also in erster Linie kurz und damit schmerzlos sein. Die Jahreszeit ist da zweitrangig, fünf bis zehn Minuten kann sogar ich den Fahrtwind (bei meinem Tempo ohnehin zart) aushalten. Da ich zeitlebens zentrumsnah wohne, setze ich mich jeden Tag für Arbeits-, Einkaufs- und Besuchswege auf mein Fahrrad. Wie viel Ladung es als Lastenesel aufnehmen kann, wird immer unterschätzt. Man erkennt mich an Tüten und Taschen hinten und vorn und an mir dran, oft auch mit Postpaketen, Essenslieferungen, Klappstühlen, Schirmen oder Zimmerpflanzen dazu. - Isabel Lauer

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