"Das Gefühl für die Kinder war gleich da"

28.9.2019, 08:00 Uhr

© Frank Leonhardt/dpa-Bildfunk

Denn die K.s sind eine besondere Familie, in der ein Detail nicht alltäglich ist: Nick und Thomas, die beiden zehn und zwölf Jahre alten Söhne, sind nicht die leiblichen Kinder des Ehepaares, sondern sie wurden adoptiert.

Noch immer ist das ein Tabuthema, das nicht alle Familien nach außen tragen. Was vielleicht auch daran liegt, dass Adoptionen so selten sind: Die meisten Kinder, die nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen, werden in Pflegefamilien betreut. Eine Möglichkeit, die für die K.‘s nicht infrage gekommen wäre. Sie wollten sicher sein, dass die Kinder auf Dauer bleiben. "Mit einer Adoption ist der Familienzugang abgeschlossen", betont Stefan K.. "Es sind unsere Kinder und sie tragen unseren Namen."

"Auf den Zahn gefühlt"

Nach mehreren vergeblichen Versuchen, eigenen Nachwuchs zu bekommen, meldete sich das Paar deshalb bei der zuständigen Stelle im Jugendamt. "Das Amt hat uns ganz schön auf den Zahn gefühlt." Ob sie auch Kinder anderer Hautfarbe akzeptieren würden, ob das Geschlecht eine Rolle spiele, wie sie denn zu einer eventuellen Behinderung stünden – "das alles sind Sachen, an die man zuvor gar nicht gedacht hat", sagt der heute 50-jährige Vater. Doch die Auseinandersetzung mit dem mehrseitigen Fragebogen habe ihren Wunsch noch gefestigt, betonen beide. "Und wenn man den abgibt, ist die erste Hürde genommen." Danach sei alles "ratzfatz" gegangen, sagt Tanja K., die noch weiß, wie ängstlich sie auf dem Weg zum ersten Treffen mit den beiden Jungs war. "Aber das Gefühl war dann gleich da."

Wenig später hatten die K.s zwei Kinder, damals sechs Monate und zwei Jahre alt. Eine anstrengende Zeit, vor allem für die Mutter, die Knall auf Fall in ihre neue Rolle hineingeworfen wurde. Ihr habe die Einstimmung durch eine Schwangerschaft gefehlt, sagt Tanja K.. "Ich glaube, ich habe damals durch den Stress acht Kilo abgenommen." Dass Nick und Thomas nicht ihre leiblichen Kinder sind, habe jedoch sehr schnell keine Rolle mehr gespielt. Wohl aber die Tatsache, dass die Jungs eine Vorgeschichte hatten.

Beide waren traumatisiert, aßen wenig, bekamen nachts Panikattacken. "Rückblickend hätten wir uns da mehr Unterstützung gewünscht", sagen Tanja und Stefan K.. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes sei erst ein Jahr später zum Hausbesuch gekommen, als aus der Probeadoption eine echte wurde. Davon mal abgesehen, versuchten die Eltern zunächst weitgehend allein, mit den besonderen Herausforderungen klarzukommen. "Man stochert im Nebel und probiert einfach aus", sagt Tanja K.. Erst nach und nach hätten sie gemerkt, wie schwer der Rucksack ist, den die beiden Buben mitgebracht haben. Manche Probleme, etwa in der Schule, tauchten erst später auf. "Man weiß dann nie: Liegt es an uns? Oder an der Adoption?"

Coaching half

Dennoch würden sich beide immer wieder für diese Art der Familiengründung entscheiden. "Es ist sehr bereichernd und ein guter Weg in ein glückliches Familienleben." Hilfe fanden die Eltern in einer Gruppe und in einem speziellen Coaching (siehe Extra-Beitrag) und in einem ganz wichtigen Punkt kam die Unterstützung bereits im Vorfeld vom Jugendamt. "Wir haben schon beim Wickeln mit unseren Kindern über das Thema Adoption gesprochen", sagt Stefan K.. Den Tipp hatte ihnen die für Adoptionen zuständige Mitarbeiterin gegeben. Ihren Satz "Dann verlieren Sie den Kloß, den Sie bei diesem Thema im Hals haben", hat der 50-Jährige bis heute im Ohr.

"Man kommt sich zwar blöd vor, aber es hat dazu geführt, dass unsere Kinder immer davon wussten", ergänzt seine Frau. Auch sonst geht die Familie offen mit der Tatsache um, dass die Kinder nicht ihre leiblichen sind. Die meisten Freunde wissen davon, neulich hat Nick auch seinen Klassenkameraden erzählt, dass er ein Adoptivkind ist. Die Erfahrungen damit sind positiv, "Wir treffen auf viel Verständnis". Neuere Bekannte allerdings bekommen oft nichts mit von der Vorgeschichte – weil diese nämlich für niemanden in der Familie noch sonderlich wichtig ist.

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