Das verlorene „Klösterle“

5.1.2012, 19:15 Uhr
Das verlorene „Klösterle“

© Muehlmann/News5

Das Wirtshaus, beziehungsweise die traurigen Reste, die von ihm noch übrig sind, ziehen Schaulustige an. Manche von ihnen sind mit Schuldzuweisungen schnell bei der Hand. Die Wirtin habe doch seit Jahren versucht, das Anwesen zu verkaufen, wird kolportiert. Sie sei immer weiter mit dem Preis heruntergegangen, ohne Haus und Grundstück loszubekommen. Bei solchen Sätzen setzt das Gegenüber üblicherweise eine verschwörerische Miene auf. Die soll sagen: Vielleicht hat die Besitzerin ja ein bisschen nachgeholfen.

Während die 62-jährige Eigentümerin buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz steht, schießen die Spekulationen ins Kraut. Die dünne Faktenlage ist ein guter Nährboden dafür. Doch bislang steht lediglich fest — das Naheliegende wurde gestern von der Polizei bestätigt —, dass das „Klösterle“ durch eine Gasexplosion zerstört worden ist. Wie es zur Detonation kam, ob ein Unfall oder womöglich sogar Absicht dahintersteckt, ist Gegenstand der Ermittlungen.

Die Ursachenforschung ist gerade erst angelaufen. Ein Spezialist des Landeskriminalamts und die Nürnberger Kripo durften das Haus, das aufgrund seiner wackligen Statik am Unglückstag schon teilweise abgerissen worden war, erst gestern betreten. Vorher hatte die Bauordnungsbehörde wegen der Einsturzgefahr ein Veto eingelegt. Nicht einmal die Eigentümerin hatte Zutritt erhalten.

Die Ermittler müssen sich nun durch den feuchten Schutt wühlen, um sich bis zur Quelle der Explosion vorzuarbeiten — auf der Suche nach einem möglichen Leck in einer der Gasleitungen. Der Ausgangspunkt der Detonation wird in der Küche vermutet, die mit Flüssiggas aus einem im Garten stehenden Tank betrieben worden sein soll (wir berichteten). Der Drei-Kubikmeter-Gastank wurde noch am Mittwoch geborgen und abtransportiert.

Das verlorene „Klösterle“

© Weigert

Toni Boesch bekommt das alles hautnah mit. Er wohnt gleich nebenan. Der 65-jährige Heimatforscher konnte es kaum fassen, wie schnell der Abrissbagger Tatsachen geschaffen hat. „Da blutet mir das Herz.“ Denn die Explosion und der Teilabriss vernichteten nicht nur Wirtsstube, Pensionszimmer und die Wohnung der Wirtin, sondern auch ein Stück Pillenreuther Geschichte.

Das „Klösterle“ war, wie der Name unschwer vermuten lässt, ein Klostergebäude, das zu einem Mitte des 14.Jahrhunderts gegründeten Frauenkloster gehörte. Toni Boesch hat sich intensiv mit den Klosterresten in Pillenreuth beschäftigt und mit zwei weiteren Autoren sogar ein Buch darüber geschrieben.

Darin ist beispielsweise zu lesen, dass die Gaststätte einmal das Pröpstinnenhaus des Klosters war, also die Unterkunft für die Klosterleitung. Außerdem waren Schreibstube und Bibliothek darin untergebracht.

Das in sich zusammengestürzte Gebäude hat eine lange Geschichte. Der Kern des Hauses, das als hochwertiges Einzeldenkmal unter Denkmalschutz stand, stammt wohl aus dem 14. oder frühen 15. Jahrhundert. Einschneidende Veränderungen erfuhr es im 17.Jahrhundert und noch einmal im 19. und 20. Jahrhundert. In der jüngeren Vergangenheit dockten umstrittene Anbauten an das zweistöckige Gebäude an. Der wenig sensible Umgang mit der alten Bausubstanz war Denkmalschützern ein Dorn im Auge.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde im ehemaligen Klostergebäude übrigens sehr weltlichen Vergnügungen nachgegangen. 1862 richtete eine Familie im „Klösterle“ eine Wirtschaft ein. Die Gaststätten-Tradition bestand bis Mittwochmorgen, bis zum Morgen der Explosion.

Die Zerstörung tut Historikern weh. „Jedes Denkmal, das verloren geht, hinterlässt eine Narbe“, sagt Daniel Ulrich von der Bauordnungsbehörde. „Noch unerfreulicher ist, dass es undokumentiert verloren gegangen ist.“

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