Der Plärrer ist ein Platz zum Abgewöhnen - seit 200 Jahren

18.1.2015, 12:00 Uhr
Schon seit dem 19. Jahrhundert ist der Plärrer ein Verkehrsdrehpunkt - mit allen Vor- und Nachteilen.

Schon seit dem 19. Jahrhundert ist der Plärrer ein Verkehrsdrehpunkt - mit allen Vor- und Nachteilen.

Damit fing alles an: Vor über 200 Jahren entstand die Fürther Straße als breite Chaussee. Schnurgerade, sauber gepflastert und gesäumt von italienischen Pappeln, verband sie die beiden Nachbarstädte. Und sie war perfekt geeignet für den Eisenbahnbau, der wenig später begann.

Auch als die lokale Bahnlinie 1922 nicht mehr konkurrenzfähig war und der elektrischen Straßenbahn Platz machte, blieb der Plärrer als Ausgangspunkt der Fürther Straße ein betriebsamer Dreh- und Angelpunkt für den Verkehr.

So idyllisch wie auf einer Postkarte von 1901, auf der ein hölzernes Wartehäuschen mit Uhrenturm im Zuckerbäckerstil in der Mitte des weitgehend leer gefegten Platzes thront, ist der Plärrer schon lange nicht mehr. Von 1978 bis 1980 durchwühlten die U-Bahn-Bauer seine Eingeweide, ein mehrgeschossiger Bahnhof wurde in die Erde gegossen, an dem sich heute drei U-Bahn-Linien kreuzen. An der Oberfläche aber dominiert nach wie vor der Autoverkehr. Schon in den 1950er Jahren galt die Fürther Straße wieder als meistbefahrene Straße Bayerns, und sie endet oder beginnt bekanntlich am Plärrer.

Es geht zu wie am Plärrer — das ist nicht der einzige Niederschlag, den der Platz am Spittlertor im Sprachschatz der Einheimischen gefunden hat. Der kürzlich verstorbene Mundart-Forscher Herbert Maas listet in seinem „Nürnberger Wörterbuch“ folgende Redewendung auf: „Steich am Plärrer um!“ Das sagen beziehungsweise sagten alte Nürnbergerinnen und Nürnberger zu einem, der ihnen auf die Zehen getreten ist.

Trockener Brunnen

Hier dürfte es wenig Widerspruch geben: An Hässlichkeit ist der Platz heute kaum zu überbieten. Halbherzige Gestaltungsversuche halfen da wenig, das flache Brunnenrund im Westen, umstanden von besonders abgasresistenten Bäumen, macht den Eindruck nur noch trostloser. Seit einiger Zeit liegt die Anlage trocken, die hohe Wasserfontäne, die hier sprühend aufstieg, ist abgedreht, weil Brunnenwasser in den U-Bahn-Schacht tropfte. Seither nehmen nur noch hartgesottene Zeitgenossen auf den Bänken am Rondell Platz.

Der Plärrer ist leider ein Unort, von dem man schnellstens flieht. Bestenfalls quert man ihn schnell und unterirdisch. Ach, gäbe es wenigstens noch den schicken Plärrer-Automaten, an den sich Ältere vielleicht noch erinnern. Der runde Kiosk mit der langgestreckten Wartezone, der bei seiner Entstehung 1932 ein „Automaten-Restaurant“ beherbergte, wirkte hypermodern. Konzipiert von Architekt Walter Brugmann, einem späteren Bauleiter des Reichsparteitagsgeländes, sah die Konstruktion mit ihren verglasten Fronten und dem umlaufenden Lichtband aus wie ein neuzeitliches Ufo, das sich ins historische Ambiente verirrt hatte.

Wirte rebellierten

Neben belegten Brötchen für zehn Pfennig, Erbsen- oder Gulaschsuppe gab es hier ein „stummes Postamt“ mit Briefmarkenautomat und Telefonzellen. Dass man nur eine Münze einwerfen musste, um an sein Essen zu kommen, machte Furore. Den Gostenhofer Wirten allerdings waren diese Finessen ein Dorn im Auge. Also gab es im „Plärrer-Automaten“ keine Sitzgelegenheiten, um die mutmaßliche Konkurrenz im Zaum zu halten.

Ein furchtbarer Luftangriff verwandelte den Plärrer am 3. Oktober 1944 in eine Wüstenei. 60 Menschen starben in einem provisorischen Luftschutzraum auf dem Platz. Der beschädigte „Plärrer-Automat“ wurde nach dem Krieg zwar wieder aufgebaut. Doch der U-Bahn-Bau besiegelte schließlich sein Schicksal, 1977 wurde er abgerissen. Die heutigen Unterstände auf dem Platz, mehr trostloser Regenschutz als gestalterisches Element, haben nicht den Hauch seines Charmes.

Immerhin, eine architektonische Zutat des Platzes ist eine Wohltat fürs Auge. Das Plärrer-Hochhaus steht unverändert, weil denkmalgeschützt, seit 1953 an der Abzweigung der Rothenburger Straße. Entworfen von Wilhelm Schlegtendal, war es mit seinen 56 Metern Höhe das erste Hochhaus der Stadt und das höchste Gebäude ganz Bayerns. Ein kleiner Trick lässt das Domizil der damaligen Städtischen Werke (heute N-Ergie) schlanker erscheinen. Ab dem fünften Stockwerk verjüngt sich der Turm pro Geschoss um einen Zentimeter.

Magisch zieht der Plärrer nur die Fußballfans an. Gewinnt Deutschland bei WM- oder EM-Spielen, verwandeln ihn hupende Autos mit flatternden Fahnen in eine Feiermeile.

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