"Der Uwe kommt nicht mehr": Der NSU-Prozess als fesselndes Hörspiel

16.2.2021, 19:28 Uhr
Bibiana Beglau ist eine der Sprecherinnen im Hörspiel "Saal 101".

© SWR - Südwestrundfunk, obs Bibiana Beglau ist eine der Sprecherinnen im Hörspiel "Saal 101".

Neun Migranten und eine deutsche Polizistin hat der NSU um das Kerntrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in den Jahren 2000 bis 2007 ermordet. Erst im Jahr 2011, nach der Selbsttötung von Böhnhardt und Mundlos nach einem missglückten Banküberfall in Eisenach, flog auf, wer für die Terrorserie verantwortlich ist. Bis heute sind viele Fragen ungeklärt, die Hintermänner noch längst nicht alle enttarnt.

Der NSU-Prozess gilt als der wichtigste Strafprozess nach der deutschen Wiedervereinigung, der kostspieligste ist er allemal, der je gegen Neonazis geführt wurde. Doch es gibt keine Mitschnitte in Ton und Bild. Journalisten und Prozessbeobachter haben das Geschehen protokolliert.

6000 Seiten an Protokollen

Das Hörspiel "Saal 101", benannt nach dem Gerichtsaal am OLG, in dem verhandelt wurde und in dem im Juli 2018 Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, basiert auf den Mitschriften der ARD-Gerichtsreporterinnen und - reporter. Rund 6000 Seiten kamen so zusammen.

Martina Gedeck schlüpft im Hörspiel in verschiedene Rollen, immer angemessen zurückhaltend, aber dennoch eindringlich.

Martina Gedeck schlüpft im Hörspiel in verschiedene Rollen, immer angemessen zurückhaltend, aber dennoch eindringlich. © Gila Sonderwald

Der Bayerische Rundfunk, unter dessen Federführung die 24 Folgen zu je knapp 30 Minuten mit namhaften Schauspielern als Sprecher produziert wurden, weist darauf hin, dass man bei der Auswahl der Zitate nicht chronologisch vorgegangen sei. Das Mammutverfahren wird mosaikartig wiedergegeben, es entsteht ein dichtes Bild, eindrücklich und fesselnd.

Unter den 12 Sprechern sind die wunderbare Martina Gedeck, Bibiana Beglau, die auch in der Fernsehserie "Schuld" nach Ferdinand von Schirach zu sehen war, Ercan Karacayli, Michael Rotschopf und der aus Oberfranken stammende Thomas Schmauser.

"Hier ist Beate"

Unaufgeregt, ja bisweilen mit Zurückhaltung erwecken sie Zeugenaussagen von Angehörigen der Opfer, von Ermittlern, Sachverständigen oder Nachbarn zu neuem Leben und geben ihnen gerade so größte Intensität. Die Worte klingen nach. Auch, als Uwe Böhnhardts Mutter zu Wort kommt. Sie schilderte vor Richter Manfred Götzl einen Anruf im November 2011.


Der NSU: Chronik einer Mordserie


"Hier ist Beate", habe eine dünne Stimme gesagt. "Welche Beate?" habe sie gefragt, "Uwes Beate." "Kommt Ihr wieder?", will die Mutter wissen, deren Sohn seit fast 13 Jahren abgetaucht war. "Der Uwe kommt nicht mehr", habe Beate noch gesagt und dann aufgelegt.

Kriminalbeamte und Spurensicherer erhalten eine Stimme, auch ein Rettungsassistent, der beim Nürnberger Blumenhändler Enver Simsek im September 2000 einen Strauß kaufen wollte und die Polizei informierte, weil er ihn nicht antraf. Als man schließlich den von acht Schüssen aus nächster Nähe getroffenen Mann in seinem Kastenwagen fand, leistete der Kunde Erste Hilfe, bis seine Kollegen eintrafen.

Die ARD strahlt die Teile 1 - 12 am Freitag, 19. Februar, von 20.05 Uhr bis 2 Uhr, und am Samstag, 20. Februar, die Teile 13 - 24, ebenfalls von 20.05 Uhr bis 2 Uhr in seinen Kultur- und Informationsradios wie Bayern 2 und MDR-Kultur aus, ebenso im Deutschlandfunk. Die Beiträge sind auch in der ARD-Audiothek abrufbar. Begleitend dazu erscheint der fünfteilige Podcast "Rechter Terror in Deutschland" auf allen gängigen Podcast-Plattformen.

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