Nürnberger Opernhaus
Die prunkvolle Schönheit hütet ihre Geheimnisse
23.1.2022, 17:07 UhrJeder kennt es, jeder liebt es, doch nur ein kleiner Teil kennt seine inneren Werte: das Nürnberger Opernhaus. Dem wollen wir Abhilfe schaffen. In unserer vierteiligen Serie sehen Sie Teile des gigantischen Hauses, die sonst nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Gesicht bekommen. Im letzten Teil steigen wir von der Bühne hinauf in luftige Höhen.
Die "Bretter, die die Welt bedeuten" messen im Nürnberger Opernhaus rund 25 mal 19 Meter Grundfläche und liegen im Bühnenhausturm. "Turm" deshalb, weil der kohlrabenschwarze Schacht mit seiner Eisenskelettkonstruktion an die zwölf Stockwerke hoch ist. Ein für den Laien schwer durchschaubares und doch regelhaftes Gespinst von Galerien, Traversen, Zügen, Schnürböden und anderen bühnentechnischen Anlagen durchzieht ihn bis unter die feuerfeste Betonwabendecke in gut 33 Metern Höhe.
Ein beträchtlicher Teil der stählernen Konstruktionen datiert noch aus den Anfangsjahren des Hauses, stets ertüchtigt und ergänzt über die Jahrzehnte. Droben, weit oberhalb des Bühnenausschnittes, verbirgt sich zudem ein seltener Schatz: eine Orgel, schlicht und klein im Vergleich zu den großen Konzertorgeln und derzeit leider auch nicht funktionstüchtig, aber doch ein seltenes Zeugnis historischer Aufführungspraxis aus der Zeit, da das Nürnberger Opernhaus noch Stadttheater war.
Genauso alt ist die hünenhafte Eisenschiebetür, die den hohen Durchgang zwischen Bühne und Magazin im Brandfall sicher verschließt. 1905 wohl ausreichend bemessen, ist diese "hohle Gasse" nun ein problematisches Nadelöhr, denn die modernen Kulissen und großen Requisiten passen häufig nur hindurch, wenn man sie zuvor mit einem Heidenaufwand in ihre Einzelteile zerlegt und auf der Bühne wieder zusammensetzt.
Platz für das Phantom der Oper
In den höchsten Ebenen des Opernhauses wird es zunehmend still und dunkel. Über verwinkelte Gänge, die Garderoben und Foyers des längst aufgegebenen vierten Ranges (jetzt Fundus und Beleuchterloge) und eiserne Treppen von 1905 geht es ins Dachwerk des Zuschauerhauses. Wenn das Phantom der Oper einen Zweitwohnsitz hat, dann hier: Durch das große Ostfenster strömt diffuses Tageslicht in den riesigen Raum mit seinem filigranen und doch höchst stabilen Eisenfachwerk. Die einzigen veritablen Schäden, die es je erlitt, rührten von unbedachten Eingriffen der NS-Zeit her, als man beim Umbau der Decke im Zuschauersaal schnell mal ein paar nicht ganz unwichtige Metallteile heraustrennte.
Selbst hier oben unter den Dächern suchte und fand man seit den 1930er Jahren immer wieder Platz für noch einen weiteren Lagerraum für den immer umfangreicher werdenden Bestand an Kostümen, Requisiten, Theaterwaffen und dergleichen mehr. Unter dem neuen Dach des Magazinflügels, dessen südlicher Teil nach dem Zweiten Weltkrieg gut zur Hälfte eingestürzt war, brachte man zusätzliche Werkstätten, Büros und Abstellräume unter.
Nur für das Opernhaus gemacht
Von der obersten Ebene des Bühnenhauses schließlich erreichen wir über eine steile Treppe den Bodenraum unter dem Glockendach des Turmes, das einen Schacht der Be- und Entlüftungsanlage enthält. Auch sein Dachwerk besteht aus einem feuerfesten Eisentragwerk; die eigens durch die Ludowici-Ziegelwerke angefertigten Pfannen, die man zur Eindeckung der Kuppel verwendete und die sich immer wieder selbständig machten, rettete bei der letzten Generalsanierung ein einfaches, aber kluges Befestigungssystem, das das Büro Konopatzki & Edelhäuser speziell für das Nürnberger Opernhaus entwickelt hatte.
Unseren vierteiligen Rundgang durch das Nürnberger Opernhaus beschließen wir am höchsten Punkt des Prunkbaus, auf der Dachplattform in der Laterne über der Bühnenhauskuppel. Ihre Ummantelung aus Kupferblech, im Kriegsjahr 1944 auf Geheiß der Stadt als "Metallspende für das deutsche Volk" abgebrochen, wurde 1993 – wie übrigens auch die Laterne über dem Zuschauerhaus und die Bronzefiguren an der Ostfassade – rekonstruiert. Von hier schweift der Blick über die Dächer der Stadt. Und beim Anblick der Dächer, Straßen und Türme wird klar: Das Opernhaus gehört zu Nürnberg wie Bratwurst und Kaiserburg.
Über den Autor: Sebastian Gulden ist als denkmalpflegerischer Gutachter, Bau- und Kunsthistoriker in Nürnberg tätig. Über das Opernhaus hat er im Auftrag des Staatstheaters eine mehrbändige Dokumentation angefertigt, die als Grundlage für die anstehende Generalsanierung dient.
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