Die schönste Stadtmauer weit und breit

25.10.2007, 00:00 Uhr
Die schönste Stadtmauer weit und breit

© Anundi

«Ringsweis um sie ist zu haben,

Zwei Ringmauer, ein tiefer Graben,

daran einhundertachtzig und drei

Türme und viel starke Bastei.»

Die Mauer ist über einen Zeitraum von einem Dreivierteljahrhundert gewachsen. In der Mitte des 14. Jahrhunderts begonnen, war sie mit dem Graben als Abschluss (natürlich bei stets unterbrochener Arbeit) 1452 vollendet. Sie ist kein Werk aus einem Guss, sondern hat viele Veränderungen bereits im Mittelalter und der Renaissance über sich ergehen lassen.

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts platzten Sebalder und Lorenzer Stadt dermaßen aus den Nähten, dass die mauerbewehrten Städte erst zusammengefügt und dann von einem neuen Mauerring umgeben wurden. Rein technisch betrachtet, besteht der Ring eigentlich aus zwei Mauern: nämlich einer sieben bis acht Meter hohen und ein Meter starken Hauptmauer, einer niedrigen Vormauer, und einem 15 Meter breiten Zwinger dazwischen. Nach der Vormauer klafft ein sechs bis zwölf Meter tiefer und bis zu 20 Meter breiter Graben, den auf der anderen Seite allerdings ursprünglich keine Brüstung säumte. Weshalb öfters nächtliche Wanderer, Zecher und Raufbolde in die Tiefe purzelten.

Allein für den Graben hat man 25 Jahre lang geschaufelt. Der Erdaushub füllte eineinhalb Millionen Bauernwägen. Das entspricht 60 000 Fuhren pro Jahr. Oder (rechnen wir die Sonn- und Feiertage ab) 200 Fuhren pro Tag.

Fünf Kilometer unüberwindliche Mauer samt Graben. Nur fünf Tore und zwei schmale Durchlässe gewährten Ein- und Austritt. Dies waren Laufer-, Frauen-, Spittler- und Neutor, allesamt durch (zuerst viereckige) Türme mit hohen Spitzen geschützt, sowie das Tiergärtnertor. Dem Fußgänger boten Wöhrder- und Hallertürlein einen Durchschlupf. Daneben existierte speziell für die Burg das Vestnertor. Dass sämtliche Tore mit Zwingern und Waffenhöfen geschützt waren, versteht sich von selbst.

Die Schwachstellen bildeten allerdings der Ein- und Ausfluss der Pegnitz. Diese waren mit Schoßgattern und Fallgittern sowie Stegen für Bogenschützen gesichert. Treibholz, Eisschollen oder brennende Boote vom bösen Feind liefen an schrägen Balkensperren auf. Und sollte der Feind auf Flößen kommen, brachten ihn Hindernisse unter Wasser zum Kentern.

Heusäcke gegen Kanonenkugeln

Um 1500 hatte das Schießpulver seinen Siegeszug angetreten. Kein Geringerer als Albrecht Dürer machte sich seine Gedanken, wie man die Mauer auf Vordermann bringe, und dem «herteren anklopffen» der Kanonenkugeln Paroli biete. 1552 schlug die Stunde der Bewährung: Markgraf Albrecht Alkibiades belagerte die Stadt und beschoss vom Platnersberg das Laufer Tor. Tor und Turm wiederum polsterten die Nürnberger mit Heusäcken, damit die Kugeln keinen allzu großen Schaden anrichteten. Nürnberg ballerte zurück, bis Alkibiades sich wieder verzog.

So gewarnt, umgab der Baumeister Georg Unger 1556 bis 1559 die eckigen Türme des Laufer-, Frauen-, Spittler-, und Neutors mit einem Rundmantel von 18 Metern Durchmesser. An der Rundung sollten die Kanonenkugeln besser abprallen. Den Raum zwischen Mantel und Turmkern füllte Unger mit Bruchsteinen und Schutt. Wobei der quadratische Kern nicht in der Mitte des kreisrunden Mantels liegt, sondern etwas zurückversetzt, sodass nach außen hin der Mantel dicker um den Turm liegt als zur Stadtseite. Kanonen auf den Türmen trugen ihre Geschosse weit hinaus. Allein dies schreckte jeden Feind ab. Als 1632 Wallenstein vor Nürnberg auf Gustav Adolf traf, umritt er die Stadt, besichtigte die Schanzen und Vorwerke und schlug sich die Eroberung aus dem Kopf.

Was keinem Gegner von Außen gelang, das versuchte der Feind im Innern. Kaum in bayerische Knechtschaft geraten, dachte man laut über den Abriss des Gemäuers nach. Erste Absichten, Weißen Turm und Laufer Schlagturm abzureißen, scheiterten 1811 am Kompetenzgerangel verschiedener Behörden. Um 1880 glaubte ein Baurat Eickemeyer Luft und Licht in der Altstadt durch Abriss schaffen zu müssen. Vielfältig war der Widerstand. So klagt der Weiße Turm seinem Kollegen:

«Brouder Laferschlogthurn sog,

Hausts denn Du schon ah vernumma,

Dass ih soll in korzer Zeit

Vo mein alt’n Posten kumma?

Stöih funfhundert Jouher scho,

Hob mi immer gout betrogn,

Und der löibn Burgerschaft

Treuli alle Stund’n gschlogn.

Su reißt mer mih öitz bald ei,

Thout si weiter nix drum schern,

Wenn des Reichsschatzkästla gor

Thout a Grümplkästla wern.»

Die Türme stehen immer noch, trotz oder gerade wegen der Bresche, der 1880 Fröschturm und Laufer Tor zum Opfer fielen. Ein Sturm der Empörung erhob sich und man ließ davon ab. Dafür löcherte man die Mauer 1848 bis 1866 an anderen Stellen und kaschierte die Durchbrüche mit Toren im neugotischen Stil, wie etwa das Marientor. Doch als der Verkehr zu viel wurde, riss man auch das Pseudo-Mittelalter wieder ein.

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