Edward Snowden und die "Nürnberger Prinzipien"

17.7.2013, 07:02 Uhr
Cpmputerspezialist Edward Snowden glaubt an das 1945 in Nürnberg verkündete Prinzip.

© Reuters/Glenn Greenwald Cpmputerspezialist Edward Snowden glaubt an das 1945 in Nürnberg verkündete Prinzip.

Warum Edward Snowden sein Wissen über US-amerikanische Spionagepraktiken mit der Öffentlichkeit teilte, erklärte er unter anderem so: „Ich glaube an das 1945 in Nürnberg verkündete Prinzip.

Der Einzelne hat eine internationale Verantwortung, die höher steht als nationale Gehorsamspflichten. Daher haben Bürger die Pflicht, nationale Gesetze zu brechen, um Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit zu verhindern.“

Dass Snowdens Erklärung mit dem Bezug auf die Nürnberger Prinzipien in deutschen Medien kaum Erwähnung fand, stimmt Martina Mittenhuber nachdenklich. „Ich denke, dass sich keiner so recht traut im Augenblick, weil es einfach eine schwierige Gemengelage ist und wir zu wenig wissen“, meint die Leiterin des Nürnberger Menschenrechtsbüros.

Gleichzeitig ist sie „ein bisschen irritiert“, dass sich auch große Menschenrechtsorganisationen wie das Deutsche Institut für Menschenrechte oder das Forum Menschenrechte derzeit zurückhalten – „und das sind eigentlich die Organisationen, die sich immer sehr schnell zu menschenrechtlich relevanten Themen bei uns äußern. Die halten sich alle im Augenblick sehr bedeckt.

Die wissen wahrscheinlich, warum.“ Ob sich Snowden tatsächlich auf die Nürnberger Prinzipien berufen kann, wagt Mittenhuber nicht zu beurteilen: „Wahrscheinlich müssten sich ganze Heerscharen von Juristen daran machen und das völkerrechtlich auf Herz und Nieren prüfen.“

Auch der Leiter des Dokumentationszentrums, Hans-Christian Täubrich, hält die derzeitige Situation für „furchtbar undurchschaubar“. Seiner Meinung nach darf sich die Bundesregierung aber keinesfalls aus politischen Kalkül auf „Spielchen“ oder fadenscheinige Argumente einlassen, nur um die transatlantischen Beziehungen nicht zu gefährden. „In so einem Fall steht der Mensch im Vordergrund“, meint Täubrich. Schließlich sei der von den USA gejagte Snowden bereit, seine Zukunft und sein Leben aufs Spiel zu setzen.

Über die Motive des Ex-Geheimdienstmitarbeiters kann Täubrich nur spekulieren. „Wir wissen zu wenig über das Ausmaß. Aber ich glaube nicht, dass er es nur um des persönlichen Vorteils willen macht. Sonst säße er ja auf Geldsäcken.“

Sollten Snowdens Enthüllungen zutreffen, wären sie ein „gigantischer Vertrauensbruch“ der US-Regierung. „Eine Demokratie lebt davon, infrage gestellt zu werden“, betont Täubrich. Findet eine Regierung keine vernünftigen Antworten auf Fragen der Bevölkerung, werde sie eben abgewählt.

Egal, welche Entscheidung die deutsche Seite über ein mögliches Asyl letztlich trifft: „Das muss eine gute Völkerfreundschaft aushalten“, meint Täubrich. Mut zu zeitweise unpopulären Entscheidungen sei heute aber nur wenig vorhanden: „Wenn Snowden hinterher in Guantanamo sitzt, tut es wieder allen leid.“
 

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