Ein Jahr Sport-Lockdown: Fünf Fans erzählen"

Ein Jahr Lockdown im Sport: Fünf Fans erzählen

8.3.2021, 09:37 Uhr
Ein Jahr Lockdown im Sport: Fünf Fans erzählen

© Foto: Thomas Hahn/Zink

Am 6. März empfing der 1. FC Nürnberg Hannover 96 im Max-Morlock-Stadion. Nach 90 Minuten stand ein 0:3 auf der Anzeigetafel. Für viele Clubfans war es ein Abend zum Vergessen - an den sie in den Monaten danach aber sicher öfter zurückgedacht haben. Denn danach hat der FCN nie wieder vor vollen Rängen gespielt, seit einem Jahr finden Fußball, Eishockey, Basketball und Handball meist vor leeren Rängen statt. Zeit, bei einigen Fans nachzufragen, wie es ihnen damit geht.

Benny Wolf (Fan des 1. FC Nürnberg)

Schätzt jetzt die Bratwurst in Gebenbach: Benny Wolf.

Schätzt jetzt die Bratwurst in Gebenbach: Benny Wolf. © Foto: privat

Irgendwann im Oktober hat es Benny Wolf dann nicht mehr ausgehalten ohne Fußball. Auf die Bundesliga-Stadien mit ihren Teilauslastungen hatte er keine Lust, weil er in Pandemie-Zeiten keinen Sinn darin sah, sich mit zu vielen Menschen ins Max-Morlock-Stadion zu setzen. Aber Fußball ergibt ja auch auf anderem Niveau Sinn, also hat er sich in Dresden ein Stadtpokal-Spiel angesehen und auch zweimal in der Bayernliga Nord vorbeigeschaut.

Unter anderem hat er so in Gebenbach die einzige Stadionwurst des Jahres 2020 gegessen. "Die war großartig", sagt Wolf. Als er sich dann eingestellt hatte auf ein Leben in den Fußball-Niederungen, war auch dort bald wieder Schluss mit allem. So sitzt Wolf jetzt daheim, bastelt an den verschiedenen Fanzines, an denen er beteiligt ist – und bezeichnet ansonsten seine Beziehung zum Fußball als "kompliziert".

Den ganz großen Fußball verfolgt er entweder gar nicht oder mit Skepsis. Den Club nicht mehr so emotional wie zuvor. "Ich freue mich trotz allem auf jedes Spiel", sagt Wolf, "ich ärgere mich auch fast immer während der Spiele, aber nach einer Stunde ist das wieder verflogen."

Es fehlt ihm vor allem der soziale Kontakt zu seiner Bezugsgruppe Fußball. "Nach dem Spiel nicht mehr mit 15 Menschen am Balkon ein Bier trinken, das fehlt", sagt er. Das wird sich hoffentlich bald wieder ändern. Ob das Erlebnis Fußball noch einmal so wird wie vor der Pandemie? "Ich wünsche es mir", sagt Wolf, "aber ich kann es mir nicht wirklich vorstellen." Immerhin weiß er jetzt, wo es Stadionwurst-Alternativen gibt.

Heiko Ratzenböck (Fan der Ice Tigers)

Ein Jahr Lockdown im Sport: Fünf Fans erzählen

© Foto: privat

Die Trommel hat Heiko Ratzenböck daheim noch nicht ausgepackt. Wenn die Ice Tigers spielen, ist der Fanbetreuer sonst einer der Menschen, die in der Arena den Takt vorgeben. Doch auch beim Eishockey, wo sich die Klubs Ende vergangenen Jahres sehr spät entschieden haben, wieder zu spielen, sind die Ränge überall zwischen Bremerhaven und München leer. Man hört kein Getrommel, kein Klatschen, keine Gesänge.

Bei ein paar Spielen war Heiko Ratzenböck in seiner Funktion als Fanbetreuer in der Arena, um beim Auf- und Abbau zu helfen sowie die Banner der Fanklubs aufzuhängen. Spaß hatte er dabei aber nicht wirklich, bei aller Freude darüber, dass überhaupt wieder Eishockey gespielt wird. "Es fehlt die soziale Komponente, die Gemeinschaftlichkeit, der Austausch", sagt Ratzenböck. "Ein Eishockeyspiel ohne Emotionen von der Tribüne, wenn man auf der Tribüne nur das Kufenkratzen hört, das macht einen schon traurig."

Ob es jemals wieder so wird wie vor der Pandemie? Ob irgendwann die Menschen wieder in die Arena strömen? "Wir befürchten, dass der ein oder andere fernbleiben könnte", sagt Ratzenböck. Schließlich kann man alle Spiele auch live bequem daheim auf dem Sofa verfolgen. "Eishockey lebt von seinen Fans", so Ratzenböck. "Umso wichtiger ist es, dass die Leute wieder in die Halle kommen." Bis dahin versucht die Fanbetreuung, die Anhänger bei Laune zu halten. Zum Beispiel mit einem Talk auf dem eigenen Facebook-Kanal. Am Sonntag ist ab 11.30 Uhr Sportdirektor André Dietzsch zu Gast.

Bernd Kofler (Fan des HC Erlangen)

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© Foto: Katharina Tontsch

Als das Coronavirus vor gut einem Jahr noch einfach nur ein Begriff aus den Nachrichten war, sozusagen der berühmte Sack Reis, der gerne mal in China umfällt, hatten Bernd Kofler und die Supporters Crew des HC Erlangen eine lustige Idee. Der Trainer der Bundesliga-Handballer war gerade der mit einem Doktortitel ausgestattete Rolf Brack, also stellten sich die treuen Fans mit Arztkitteln und Mundschutz in den Fanblock – ohne zu ahnen, dass solche Masken schon bald Standard werden würden.

Kofler, der Kopf der Supporters, lacht, als er jetzt diese Geschichte erzählt. Es klingt, als wären seitdem nicht nur zwölf Monate vergangen, sondern eine halbe Ewigkeit.

Als Aufbauhelfer hat er immerhin die Gelegenheit, bei den Heimspielen des HCE vor Ort dabei zu sein, aber es ist natürlich das gleiche. "Die Atmosphäre fehlt schon sehr", sagt er. Auch wenn er Sportereignisse vor dem Fernseher verfolgt. Bei Fußballspielen schaltet er meistens bald wieder weg und recherchiert dann später nur das Ergebnis, dass man in den Stadien inzwischen die Kommentare der Spieler und Trainer hört, hält er nicht gerade für vorteilhaft.

Die Spiele des HCE sind trotzdem für viele Fans eine schöne Abwechslung im Alltag, hat er festgestellt. "Die Highlights sind zur Zeit ja nicht so üppig", sagt er und erkennt dann doch noch einen Vorteil in der aktuellen Situation: "Ich genieße es, jeden Spielzug wahrzunehmen. Im Block war es sonst ja immer recht wild."

Und soll es irgendwann auch wieder werden. Wenn Corona vielleicht nur noch eine kleine Meldung in den Nachrichten ist.

Martin Roth (Fan der Falcons)

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© Foto: privat

Die Sehnsucht ist groß. So groß, dass die "Noris Blockers" jetzt schon virtuelle Auswärtsfahrten veranstalten. Am 4. April geht es nach Trier – natürlich nur in der Fantasie, Nürnbergs Zweitliga-Basketballer werden auch dort ohne lautstarke Unterstützung auskommen müssen.

Es sind "gemischte Gefühle", die nicht nur Martin Roth, den 2. Vorstand des Falcons-Fanclubs, umtreiben. Vor einem Jahr hätte er sich das nicht vorstellen können: eine Saison ohne Fans; nicht aus Sicht des Vereins, nicht aus Sicht der Anhänger, nicht finanziell und nicht atmosphärisch. Inzwischen ist es: Alltag. "Man ist froh, überhaupt Basketball sehen zu können", sagt Roth, auch wenn das nur per Livestream möglich ist.

An den ersten Spieltagen hat er das noch nicht ausgehalten. Wenn die Falcons spielten, unternahm Roth Waldspaziergänge. "Ich war einfach zu nervös", sagt er. Lange hat er das nicht durchgehalten, aber die "Hilflosigkeit" ist geblieben, die Hilflosigkeit, "dass man gar keinen Einfluss hat, ein Spiel zu drehen", wobei er das "zu drehen" in Anführungszeichen setzt.

Den Einfluss der Fans will er nicht überschätzen, aber als sich die Mannschaft nach der kollektiven Infektion mit dem Coronavirus nur sehr mühsam zurückkämpfte, da hätten die Gesänge der Noris Blockers sicher helfen können. Ein Motivationsvideo haben sie dem Team zwischenzeitlich geschickt und ein Banner vor die Halle gehängt. "Wir haben extrem mitgelitten", sagt Roth, der hofft, dass sie das spätestens kommende Saison wieder in der Halle tun dürfen.

Kevin Dardis (Amateurfuẞball-Fan)

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© Foto: Katharina Tontsch

In den vergangenen Monaten hat sich Kevin Dardis verliebt. "Ich habe mein Herz ein bisschen an die Kreisliga verloren", sagt der passionierte Fan des Amateurfußballs, der als "Ire im Block" auf Facebook und in einem Podcast von seinen Reisen erzählt. Zwischen März und September 2020 kamen keine neuen Geschichten hinzu – weil der Ball nicht mehr rollte.

Umso mehr freute er sich auf seinen ersten Ausflug nach mehr als einem halben Jahr Fußballpause. Am 19. September fuhr er mit der S-Bahn nach Eltersdorf, danach auch nach Cadolzburg, Hagenbüchach – oder einfach mal mit der Straßenbahn zur DJK Falke. "Es war anders, aber die Vereine haben sich viel Mühe gegeben", erinnert er sich. "Leider waren die Zuschauerzahlen ziemlich niedrig, weil einige Menschen sicher noch Angst hatten."

Kevin Dardis aber nutzte die Zeit. Nach dem ersten Spiel in Eltersdorf hat er bis zur erneuten Unterbrechung des Spielbetriebs Ende Oktober weitere 16 "unterhaltsame Spiele und schöne Sportplätze" besucht, die meisten davon in der Kreisliga. Es war eine kurze, aber umso intensivere Beziehung, von der Dardis auch Monate später noch schwärmen kann. Das schönste Erlebnis aber war eine Reise nach Hüttenbach zum Derby gegen den SK Lauf. "Es war ein Abendspiel unter Flutlicht vor punktgenau 200 Leuten" – mehr waren im vergangenen Jahr nicht erlaubt.

Derzeit liest Kevin Dardis viel, er geht mit seinem Hund spazieren – und er hat angefangen, Tschechisch zu lernen. Warum? "Ich mag die Sprache", sagt er, "aber es ist eine große Herausforderung."

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