Ein Ort, der den Nazi-Opfern gewidmet sein sollte

18.4.2018, 19:05 Uhr
Ein Ort, der den Nazi-Opfern gewidmet sein sollte

© Foto: Michael Matejka

Braucht Nürnberg wirklich noch einen weiteren Ort, der an den Holocaust erinnert? Auf jeden Fall! Dieser Meinung ist Charlotte Soppa, die eine Bachelor-Arbeit an der Universität Hannover im Fach Landschaftsarchitektur über das Märzfeld geschrieben hat. Sie widmet sich darin dem ehemaligen Bahnhof, der gleich zwei Geschichten aus der Nazi-Zeit erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das Gelände nahe der Breslauer Straße war Teil der Planung des Reichsparteitagsgeländes und wurde 1938 in Betrieb genommen. Einerseits kamen hier Anhänger des Nationalsozialismus zum Feiern an, weil sie etwa zum Reichsparteitag wollten. Andererseits diente der Bahnhof – Jahre später – dazu, Juden aus dem mittelfränkischen Raum in den Tod zu fahren. Rund 2000 Menschen stiegen hier in Züge ein, die sie zu den Konzentrationslagern Ignaz und Riga-Jungfernhof deportierten.

Kaum etwas hier erinnert noch an diese Geschichten. Der Bahnhof wurde 1988 geschlossen – seitdem hat sich nichts getan. Er ist heute verwahrlost und in einem "fatalen Zustand". Mauern und Zäune versperren Wege, wirken wenig einladend. Auch wenn über die Gleise noch Züge rollen, ist sonst nur noch die Unterführung darunter zugänglich. Doch die lädt nicht gerade zum Verweilen ein – kaum Licht, und Gitter in der Mitte als Stütze, die vor Einsturz schützen sollen. Das erklärt Elmar Hönekopp von der Stadtbild-Initiative. Teile der Decke seien jedenfalls schon mal heruntergekommen.

Weil der Nazi-Bau in die Jahre gekommen ist, wurde die Nicht-Nürnbergerin Soppa, die derzeit in Berlin ihren Master absolviert, auf das Thema aufmerksam. Die 25-Jährige hat Ideen entwickelt, wie der Bahnhof zu einem würdigen "Erinnerungsraum" werden kann. Sie will dort einen "Raum zur Reflektion" schaffen.

Ein Ort, der den Nazi-Opfern gewidmet sein sollte

© Foto: Kreil

Denn hier stehen endlich die Opfer des Dritten Reiches im Mittelpunkt, so Soppa. "Der Zustand des Bahnhofs ist nicht angemessen gegenüber den Opfern und den Überlebenden." Sonst liegen bei Nürnberger Nazi-Bauten die Täter im Fokus. Wer etwa zum ersten Mal das Reichsparteitagsgelände besuche, der werde überladen mit der Geschichte aus der Sicht der Täter. Erinnerungsräume, die die andere Seite in den Blick nimmt, gebe es in der Stadt nicht.

Soppa plädiert in ihren Entwürfen für offene Räume, die für mehr Platz und Sicherheit sorgen sollen. Der Ort biete hohes Entwicklungspotenzial. Außerdem will sie Besucher besser informieren. Die Studentin hat Umfragen unter Passanten durchgeführt, die sie hier antraf: Nur wenige wussten von der Bedeutung dieser historischen Stätte. "Kein Wunder, es erinnert hier ja auch kaum etwas daran."

Zwar ist eine Stele errichtet, doch die ist nur schlecht zugänglich. "Man kann noch viel mehr machen", erklärt Soppa. Zum Beispiel den Menschen, die deportiert wurden, Namen geben. Ihr Entwurf sieht ein rostigfarbenes Band im Boden vor, in das die Namen eingraviert sind. Das senkt den Blick, was für Respekt steht.

Die Vorschläge existieren bisher nur in der Theorie, was Hönekopp bedauert. Bisher habe sich an dem Ort nichts getan. Dabei setze sich die Stadtbild-Initiative für das Projekt ein, kämpfe seit vier Jahren für eine Verbesserung der Situation. Doch nach ersten Gesprächen mit dem Kulturreferat zeige die Stadtverwaltung kein Interesse mehr an einer Umsetzung, gibt sich Hönekopp enttäuscht.

Ein Ort, der den Nazi-Opfern gewidmet sein sollte

© Simulation: Soppa

Erst vorgestern gab es einen Runden Tisch, an dem Soppa ihre Ideen allen Beteiligten vorstellte. Dabei war auch Florian Dierl, der Leiter des Dokumentationszentrums: "Die Entwürfe sind natürlich interessant und können der Diskussion dienen." Doch zuerst müsse eine Abstimmung mit der Deutschen Bahn erfolgen, der ein Großteil des Geländes gehöre. "Da gibt es einen hohen Bedarf." Und ein richtiger Bahn-Ansprechpartner wurde auch noch nicht gefunden.

Abstimmungsbedarf gebe es auch unter den verschiedenen Abteilungen innerhalb der Stadtverwaltung, erklärt Dierl auf NZ-Nachfrage. Außerdem habe das Kulturreferat vor zwei Jahren bereits eine Vorlage erarbeitet, wie die Anlage – und insbesondere der Platz mit der Stele – schöner gestaltet werden könnte. Diese gilt es nun, weiterzuentwickeln – eben in Abstimmung mit allen beteiligten Referaten in der Stadt.

Hönekopp vermutet, dass das Thema angesichts der Debatte um die Bewerbung zur Kulturhauptstadt herunterfalle. Dabei könnte es doch Teil der Bewerbung werden. "Es ist eine frustrierende Situation, weil sich keiner zuständig fühlt." Der Bau sei in einem so desolatem Zustand, dass er zusammenbrechen werde, wenn sich nicht bald etwas tue.

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