Ein steiniger Weg

26.4.2015, 18:20 Uhr
Ein steiniger Weg

© Foto: Horst Linke

Das Internationale Frauencafé ist für sie immer noch ein fester Anker im Leben. Anfangs war Yegana Maharramova hier nur eine von vielen, suchte wie 40 bis 60 andere Frauen auch regelmäßig ein bisschen Halt in dem Austausch mit anderen Flüchtlingsfrauen in der Villa Leon. Mittlerweile ist sie keine normale Besucherin mehr, sondern gehört zur Café-AG, deren Mitstreiterinnen unter anderem als Übersetzerinnen fungieren. Ein Ehrenamt, das Maharramova auch aus eigenem Interesse nicht missen möchte. „Hier bin ich so frei“, sagt die 45-Jährige. „Hier versteht man mich und mein Leben.“

Wenn sie mit Einheimischen zu tun hat, geht ihr das nicht immer so. Obwohl sie seit elf Jahren in Deutschland lebt, spricht sie nur mäßig Deutsch. Am mangelnden Lerneifer liegt das nicht: Etliche Jahre hatte Maharramova keinen Anspruch auf einen Integrationskurs. Und jetzt, nachdem sie endlich ein bisschen mehr Sicherheit in ihrem Leben hat, fehlt der Frau aus Aserbaidschan zwischen Haushalt, Kindererziehung und Job die Zeit. „Aber ich will das jetzt unbedingt nachholen“, sagt die gelernte Buchhalterin, die sich ärgert, dass sie wegen ihrer schlechten Sprachkenntnisse mitunter für „dumm“ oder „ungebildet“ gehalten wird. „Dabei habe ich doch eine gute Ausbildung und habe in Aserbaidschan lange in meinem Beruf gearbeitet.“ Doch weil ihr Mann wegen seines politischen Engagements Repressalien befürchtete, verließ die Familie mit ihrem Sohn 2004 das Land. Nach der Präsidentschaftswahl 2003 hatte die Opposition der Regierung Wahlfälschung vorgeworfen, auch internationale Wahlbeobachter berichteten damals von Manipulationen und Einschüchterungsversuchen. In der Hauptstadt Baku kam es zu Unruhen mit Toten und Verletzten.

Yegana Maharramova nennt noch weitere Gründe, warum sie nicht im Land bleiben wollte. Es gebe keine wirkliche Demokratie dort, sagt sie. „Und die Frauen haben eine ganz schlechte Stellung.“

Für eine Anerkennung ihres Asylantrages reichte es jedoch nicht, er wurde abgelehnt. Die politische Verfolgung dort sei schwer zu beweisen, betont Elisabeth Schwemmer vom Internationalen Frauencafé. Im Asylbewerberheim in der Schlossstraße, in dem die Familie lebte, war sie nur noch geduldet. Bei der Erinnerung an das heruntergekommene Haus, in dem die Bewohner unter anderem über eine Kakerlakenplage klagten, schüttelt es die 45-Jährige. Doch schimpfen will sie nicht. „Das war halt mein Leben“, sagt sie. „Und in Deutschland hatte ich wenigstens keine Angst mehr.“

Dass sie dann in die Regensburger Straße umziehen durfte, war für die mittlerweile vierköpfige Familie eine große Verbesserung. Doch die Unsicherheit über die Zukunft blieb. Damals bekamen Flüchtlinge neben Essenspaketen gerade mal 40 Euro pro Monat Taschengeld — eine Praxis, die das Bundesverfassungsgericht 2012 für verfassungswidrig erklärte. Doch selbst diese Zuwendung wurde gekürzt oder gestrichen, um Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, zur Ausreise zu zwingen, wie Elisabeth Schwemmer betont. Ziel dabei: Die Menschen, die im Land nur noch geduldet sind, sollten genötigt werden, sich einen Pass zu besorgen, um abgeschoben werden zu können, so Schwemmer. Diese Druckmittel — auch Arbeitsverbote gehören dazu — wenden die Behörden bis heute an.

Auch Yegana Maharrowa lebte ein Jahr lang mit dem gekürzten Taschengeld. Letztlich war es die Krankheit ihrer Tochter, die alles zum Guten wendete. Nesrin sei nicht reisefähig gewesen, sagt die Mutter. „Deshalb durften wir zunächst bleiben und haben sogar eine Arbeitserlaubnis bekommen.“ Ihr Mann fand eine Stelle als Bauarbeiter, sie selbst putzt in einem Büro. Über Kontakte zu anderen Migranten fanden die vier eine Wohnung. Und weil sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, bekamen sie schließlich mit Hilfe der Härtefallkommission eine Aufenthaltserlaubnis.

Sie sei jetzt hier zu Hause, sagt Maharramova und holt ihr Handy aus der Tasche. Stolz zeigt sie das abfotografierte Zeugnis ihres Sohnes — er besucht die Berufsoberschule und hat lauter Einser und Zweier. Die Kinder werden ihren Weg machen, davon ist die Mutter überzeugt. Und auch sie selbst hat Pläne, hofft, dass sie eines Tages vielleicht als Buchhalterin arbeiten kann. „Uns geht es sehr gut hier“, das sagt sie schon jetzt. Doch die Unsicherheit hält an, so lange die Aufenthaltserlaubnis befristet ist. Muss sie verlängert werden, überprüft die Ausländerbehörde erneut die Einkommensverhältnisse. Reicht das Geld nach den Berechnungen des Amtes nicht, kann es zur Ausreise auffordern. Ein Stück Angst bleibt.

 

 

Deutschland liegt auf Platz acht

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 200 000 Asylanträge gestellt, das sind 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern sind die Zahlen jedoch gering: Die Hauptlast tragen die Nachbarländer in den verschiedenen Krisenregionen. So hat Pakistan 1,6 Millionen Menschen aufgenommen. Im Libanon kommen 257 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner. Nur 637 000 Menschen kamen bis nach Europa.

Betrachtet man die absoluten Zahlen, nimmt Deutschland die meisten Flüchtlinge auf. In Relation zur Einwohnerzahl führt Schweden die europäische Statistik an, gefolgt von Ungarn. Deutschland liegt erst auf Rang acht. In Bayern stellten 30 000 Menschen einen Asylantrag, 13,5 Prozent der Flüchtlinge werden in Mittelfranken untergebracht.

Immerhin jeder zweite Asylantrag wird anerkannt. Rund 94 000 Menschen haben in Deutschland den Status der Duldung, das heißt, sie werden vorerst nicht abgeschoben, weil sie keine Pässe haben oder die Lage in ihrem Herkunftsland zu gefährlich ist. Etliche bleiben auf diese Weise über Jahre im Land. In Nürnberg leben 900 Menschen mit einer Duldung.

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