Kein deutscher Pass - kein Wahlrecht

Ein Viertel der Nürnberger darf bei der Bundestagswahl nicht mitmachen

25.9.2021, 13:59 Uhr
Nur wer den deutschen Pass hat, darf den Stimmzettel in die Urne werfen. 

© Michael Kappeler, NN Nur wer den deutschen Pass hat, darf den Stimmzettel in die Urne werfen. 

Am Sonntag entscheiden die Nürnbergerinnen und Nürnberger über die Zusammensetzung des 20. Bundestages. Alle Nürnberger? Nein. Wer unter 18 Jahre alt ist, darf nicht wählen. Zudem ist die Berechtigung zur Stimmabgabe an die deutsche Staatsangehörigkeit gebunden. Ein Viertel der Volljährigen, die in der Stadt leben, sind deswegen nicht wahlberechtigt.
Dies sagte Wolf Schäfer auf Anfrage. Der Chef des Nürnberger Wahlamts verweist auf Zahlen, die seine Behörde zum Stichtag 30. Juni 2021 erhoben hat. Zu diesem Zeitpunkt lebten 447.336 Bürger über 18 Jahre in der Stadt. Davon hatten 112.126 keinen deutschen Pass und können daher nicht wählen. Das entspricht einem Anteil von 25,06 Prozent.

Rathaus-Fraktionen geteilter Meinung

Diese Relation spiegele sich auch ungefähr in den beiden Nürnberger Wahlkreisen wider, sagte Schäfer. Dass ein Viertel der über 18-Jährigen nicht mitentscheiden kann, wer die Direktmandate holt und wie sich die Zweitstimmenanteile in der Stadt verteilen, sehen die Nürnberger Stadtratsfraktionen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die CSU vertritt die Auffassung, dass das Wahlrecht am Ende der Integration stehen sollte. "Ich sehe es schon so, dass man für das Wahlrecht den deutschen Pass braucht. Man kann nicht zwei Herren dienen", sagt Werner Henning, Integrationsexperte der Rathaus-CSU. "Wer wählen möchte, kann die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen."


Diana Liberova von der SPD-Fraktion würde ebenfalls nicht das Wahlrecht auf Bundesebene umkrempeln. "Aber man sollte den Weg zur doppelten Staatsbürgerschaft erleichtern. Das würde den Druck rausnehmen." Zudem ist sie auf kommunaler Ebene für ein Wahlrecht für alle. Dort dürfen im Unterschied zur Bundesebene Bürger aus EU-Ländern ohne deutschen Pass wählen, nicht jedoch sogenannte Drittstaatler.

Stadträtin ohne Wahlrecht

Grünen-Stadträtin Réka Lörincz wiederum kann die Differenzierungen des Wahlrechts am eigenen Beispiel deutlich machen: Mit ihrer ungarischen Staatsbürgerschaft besitzt sie auf kommunaler Ebene das aktive und das passive Wahlrecht – darf aber auf Bundesebene nicht mitabstimmen, hier gehört sie zu den eingangs genannten 25 Prozent. Lörincz fordert eine Reform: "Ich finde, für das Wahlrecht sollte der Lebensmittelpunkt entscheidend sein und nicht eine Sortierung nach Nationalstaaten."


In der Integrationskommission des Stadtrats stellte die Stadtverwaltung unlängst den Jahresbericht über Staatsangehörigkeiten der Nürnberger vor. Hier werden freilich auch Jugendliche und Kinder erfasst. Demnach leben 132.571 Bürger ohne deutschen Pass in Nürnberg, was einem Anteil von 24,91 Prozent der Gesamtbevölkerung (532.201 Bürger) entspricht.

Türkei vor Rumänien

Stichtag ist der 31. Dezember 2020. Die Menschen haben Wurzeln in mehr als 170 Ländern. Die größte Gruppe stellt traditionell die Türkei mit 16 984 Bürgern. Es folgen Rumänien (14 747), Griechenland (12 114) und Italien (6983).
Im Jahr 2020 wurden 1673 Menschen eingebürgert. Falls sie nicht inzwischen aus Nürnberg weggezogen sind, dürfen sie am Sonntag ihr Votum abgeben.

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