Eine eindringliche Politik-Lektion

4.10.2009, 00:00 Uhr
Eine eindringliche Politik-Lektion

© Bauer

Was bei dem sonst üblichen Medienkonsum in Zeitungen oder Fernsehnachrichten allenfalls mit einem Auge registriert wird, kommt der Nürnberger Bevölkerung damit unerwartet nahe. Hätte man Soltani im Iran nicht die Papiere abgenommen und wäre er tatsächlich persönlich bei dem Festakt ihm zu Ehren im Nürnberger Opernhaus dabei gewesen, hätte ihn in der ganzen Stadt eine Welle der Solidarität begleitet. Den Preis nimmt nun Soltanis Ehefrau Masoumeh Dehgan entgegen.

In der speziellen Konstellation dieses Jahres entfaltet der Nürnberger Menschenrechtspreis seine Stärke – auch nach innen – auf augenfällige Weise. Das 1995 begonnene Projekt der Stadt soll weniger bekannte Menschenrechtler und ihren mutigen Einsatz unterstützen. Das steht natürlich bei den Feiern im Vordergrund. Die Wochen und Monate nach Bekanntgabe des jeweils neuen Preisträgers sind aber auch ein Intensivkurs in Sachen Politik und Sozialkunde.

Das liegt bei allen bisherigen Preisverleihungen hauptsächlich an dem wohlüberlegten Rahmenprogramm, an dem die Bürger teilnehmen können, angefangen von der Friedenstafel, bis zu Kulturveranstaltungen und Diskussionen mit verschiedenen Experten, ganz zu schweigen von den öffentlich oft unbeachteten Aktivitäten zwischen den Höhepunkten der Preisverleihungen alle zwei Jahre.

Es bleibt nicht allein beim perlenden Sekt, mit dem erlauchte Gäste im Glanz einer Feststunde anstoßen, die Auseinandersetzung mit dem Nürnberger Preisträger und den Problemen seines Landes ist wesentlich prickelnder, breiter und tiefer.

Einzigartiges Konzept

Es gibt vermutlich keine andere deutsche, wenn nicht sogar europäische Stadt, mit einem solchen Konzept der politischen Erwachsenenbildung, auch wenn das keiner der Verantwortlichen so nennen würde.

In diesem Jahr ist die Lektion noch eindringlicher als sonst. Das Beispiel Abdolfattah Soltanis lehrt etwas von der Bedeutung des Engagements für universelle Werte in einer Gesellschaft – und zwar nicht in wohlfeilen Sonntagspredigten, sondern durch die Arbeit in einem Teheraner Anwaltsbüro unter großem persönlichen Risiko und unter Verzicht auf eigenen Profit.

Selbst als das Menschenrechtszentrum von Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, in dem auch Soltani aktiv war, widerrechtlich geschlossen wird, spricht sich der Anwalt gegen jede Gewalt aus, und ginge es auch nur darum, die Versiegelung gewaltsam zu öffnen.

Die Nürnberger haben Gelegenheit, diese beispielhafte Haltung ganz aus der Nähe verstehen zu lernen. Auch das ist von besonderem Wert, selbst wenn der Geehrte nicht dabei sein kann. M. KASPEROWITSCH