Entscheidung in Nürnberg: Kommt das 365-Euro-Ticket für alle?

17.6.2020, 06:00 Uhr
Entscheidung in Nürnberg: Kommt das 365-Euro-Ticket für alle?

© Roland Fengler

"Für uns wird es sehr spannend", erklärt Linken-Stadtrat Titus Schüller, "denn im Vorfeld haben wir von keiner Fraktion ein klares ,Nein‘ bekommen." Doch viele Stadträte haben Bauchschmerzen wegen der Finanzierung. Die Linke nicht: 34 Millionen Euro Mindereinnahmen müsste man für das ökologische und soziale Projekt ausgleichen. Die Stadt mit ihrem Zwei-Milliarden-Euro-Haushalt sei dazu grundsätzlich in der Lage, so Schüller. Dies habe auch die Regierung von Mittelfranken festgestellt.

Brief an Ministerpräsident Markus Söder

Beschlossen hat der Nürnberger Stadtrat bislang nur ein 365-Euro-Ticket für Schüler(innen) und Auszubildende ab dem Schuljahr 2020/2021. Die Linke sieht die Ausweitung auf die ganze Stadtbevölkerung ab 1. Januar 2021 als wichtigen Beitrag zur Verkehrswende und Klimapolitik an. Mit dem erfolgreichen Bürgerbegehren (es kamen über 20.000 Unterschriften zusammen) haben die Organisatoren einen gewaltigen Druck aufgebaut.

Die Oberbürgermeister von Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach sowie die Landräte der Landkreise Nürnberger Land, Fürth, Erlangen-Höchstadt und Roth schrieben kürzlich einen Brief an Ministerpräsident Markus Söder und Verkehrsministerin Kerstin Schreyer.

Beteiligung an laufenden Kosten gefordert

Darin schlagen sie ein Modellprojekt 365-Euro-Ticket für ihr Gebiet vor, da hier die meisten Pendler im Verkehrsverbund des Großraums unterwegs sind. Die Mindereinnahmen beim Ticketverkauf beziffern die acht Politiker mit etwa 62 Millionen Euro. Sie erbitten vom Freistaat eine dauerhafte finanzielle Unterstützung in Höhe von zwei Dritteln dieser Summe. Das wäre der erste Schritt eines verbundweiten Tickets und böte die Möglichkeit, die Effekte genau zu beobachten, steht in dem Brief. Die konkrete Umsetzung werde für Mitte 2021 angestrebt.

Schon seit langem fordern Verkehrsbetriebe und Kommunalpolitiker, dass sich das Land neben Zuschüssen für Investitionen (etwa zu neuen U-Bahnen) auch an den laufenden Kosten beteiligt. Bisher wurde der Wunsch nicht erhört.

"Fridays for future" will radikale Verkehrswende

Die Gruppierung "Fridays for future Nürnberg" spricht sich für die sofortige Einführung eines 365-Euro-Tickets für alle, nicht nur für Schüler und Azubis, aus. In einem offenen Brief heißt es: "Wer will, dass die Menschen auf den ÖPNV umsteigen, muss dafür sorgen, dass sie es sich auch leisten können." Daher unterstütze man das Bürgerbegehren. Die Bewegung geht davon aus, dass die Mehrheit der Nürnberger zu einer radikalen Verkehrswende bereit ist. Der Ausbau und die Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs sei kein Minderheitenthema mehr.

Das 365-Euro-Ticket sehen die "Fridays"-Aktivisten lediglich als Anfang. Damit könnten die Kommunalpolitiker die Ernsthaftigkeit ihrer klimapolitischen Bemühungen unter Beweis stellen. Bei der heutigen Abstimmung im Stadtrat zeige sich, ob die Versprechen im Wahlkampf ernst gemeinte Plädoyers oder nur "heiße Luft" waren.

"Steinzeit-Projekt beerdigen"

Weitere Forderungen sind ein lückenloses Radwegnetz bis 2026 und eine autofreie Innenstadt bis zum Jahresende. „Teure Steinzeit-Projekte“ wie der Ausbau des Frankenschnellwegs müssten beerdigt und durch Maßnahmen zu einer sozial gerechten, ökologisch nachhaltigen Verkehrswende ersetzt werden.

Das Schreiben erinnert den Nürnberger Stadtrat daran, dass sich das Gremium zum 1,5-Grad-Klimaschutzziel bekannt und sich mit "Fridays for future" solidarisiert habe. Es schließt mit einem konkreten Appell an die Stadträte von CSU und SPD: "Es wird höchste Zeit, dass auf Ihre Solidarisierung Taten folgen."


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