"Es tut mir leid!": OB König bittet Familie von Enver Simsek um Entschuldigung

11.9.2020, 05:35 Uhr

© Foto: Stefan Hippel

Mehr als 100 Teilnehmer, darunter auch Vertreter von Parteien, Organisationen und türkischen Vereinigungen, waren der Einladung der Stadt Nürnberg gefolgt und zum Parkplatz an der Liegnitzer Straße zwischen Langwasser und Altenfurt gekommen. Hier hat vor 20 Jahren der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund den Blumenhändler aus nächster Nähe mit acht Schüssen getötet.

Das Versprechen, die Tat lückenlos aufzuklären, sei bis heute nicht erfolgt, räumte der OB ein. Er stellte die Frage, warum der Mord nicht habe verhindert werden können. "Die Demokratie muss sich viel härter gegen die Feinde der Demokratie wappnen", mahnte er, auch mit Blick auf die jüngsten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten wie die in Halle oder Hanau. König zeigte sich den Forderungen verschiedener Initiativen und Gruppen nach einer Straßenumbenennung aufgeschlossen (siehe auch nebenstehenden Infotext). Die Erinnerungskultur sei wichtig, "es sollte ein Zeichen gesetzt werden", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch müsse dieses Thema zuerst im Verkehrsausschuss behandelt werden.

Nur knapp Attentat entgangen

Abdul-Kerim Simsek (33), der Sohn des getöteten Blumenhändlers Enver Simsek, gestand, es sei "ein bedrückendes Gefühl, hier zu stehen". Sein Vater sei ein zupackender Mensch gewesen und habe in der neuen Heimat etwas aus seinem Leben machen wollen. Deshalb habe er nach seiner Zeit in der Fabrik 1992 mit dem Blumengroßhandel begonnen und die Ware gleich selbst in Holland geholt. "Er mochte Blumen."

Die elf Jahre nach seinem Tod hätten der Familie "schlimm zugesetzt", betonte Abdul-Kerim Simsek, da die Polizei bis zur Selbstentarnung des NSU im Jahr 2011 seinen Vater der Drogendealerei verdächtigt hatte. "Ich war erleichtert, als ich hörte, dass es Nazis waren. Damit war die Unschuld meines Vaters bewiesen."


20 Jahre nach NSU-Mord an seinem Vater: Abdul-Kerim Simsek im Interview


Er und seine Schwester Semiya seien vor gut einem halben Jahr beinahe selbst Opfer eines Anschlags geworden, sagte er am Rande der Gedenkfeier. Mit seiner Familie und seiner Frau hat sich der 33-Jährige oft in dem Café in Hanau aufgehalten, in dem im Februar zehn Menschen bei einem rechtsextremistischen Anschlag umgebracht wurden.

Für Stephan Doll von der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg steht außer Frage, dass rechtsterroristische Netzwerke weiterbestehen. Deshalb müssten die Helfer und Hintermänner des NSU endlich ermittelt und "ihrer gerechten Strafe zugeführt" werden.

Doll wiederholte sein Anliegen, das er im Interview mit unserer Zeitung bereits geäußert hatte, und forderte die Parteien im Landtag auf, einen zweiten Untersuchungsausschuss zum NSU einzurichten. Dafür müsse auch der Verfassungsschutz seine Akten zugänglich machen.

Der türkische Generalkonsul Serdar Deniz bat Deutschland als "eine der wichtigsten Nationen in Europa" soziologisch erforschen zu lassen, warum Rassismus hier habe so gedeihen können. Nach Gebeten von Pfarrer Bernt M. Graßer von der evangelischen Kirchengemeinde Altenfurt und Fuat Gökcebay, dem Religionsattaché des türkischen Generalkonsulats Nürnberg, legten die Gäste weiße Rosen an der Gedenkstele für Enver Simsek nieder.

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